Wie weit kann man mit einem Teleskop schauen?

Rainer Kayser

Unzählige leuchtende Galaxien vor schwarzem Hintergrund

NASA/ESA/S. Beckwith/STScI/HUDF Team

Wie weit kann man mit einem Teleskop in den Nachthimmel schauen? Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Letztlich aber reicht der Blick auch im Weltall nur bis zum Horizont.

Meist ist unser Blick durch Gebäude, Bäume oder Berge eingeschränkt. Und selbst in absolut flachem Gelände – also zum Beispiel auf einem Ozean – können wir nur etwa fünf Kilometer weit sehen. Weiter entfernte Objekte verschwinden durch die Erdkrümmung langsam unter dem Horizont.

Auch der Blick in die scheinbar unendlichen Weiten des Kosmos bleibt beschränkt. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens können wir nur Objekte sehen, die hell genug leuchten, und zweitens ist das Alter des Kosmos endlich, wodurch es auch für astronomische Beobachtungen einen Horizont gibt. Doch der Reihe nach.

Da sich die Strahlung eines Sterns gleichmäßig in alle Richtungen im Raum verteilt, nimmt sein Strahlungsstrom – also die Energie, die pro Zeiteinheit eine Flächeneinheit durchströmt – quadratisch mit der Entfernung ab. Ein Stern, der doppelt so weit von uns entfernt ist wie ein anderer, ansonsten identischer Stern, ist also nicht etwa nur halb, sondern gleich nur noch ein Viertel so hell. Die Helligkeit astronomischer Objekte nimmt also mit der Entfernung sehr schnell ab. Unsere Sonne wäre bereits aus einem Abstand von etwa sechzig Lichtjahren mit bloßen Augen nicht mehr auszumachen.

Deshalb verwenden Astronomen große Teleskope: Nicht in erster Linie, um hohe Vergrößerungen zu erzielen, sondern um mit der großen Fläche des Objektivs möglichst viel Strahlung einzusammeln. Ein Teleskopspiegel mit einem Durchmesser von acht Metern sammelt etwa eine Million Mal mehr Licht ein als ein völlig an die Dunkelheit angepasstes menschliches Auge mit weit geöffneter Pupille. Mit einem solchen Teleskop ließe sich unsere Sonne noch aus einer Entfernung von bis zu 60 000 Lichtjahren sehen.

Aufnahme einer Spiralgalaxie, die seitlich wie eine Ellipse erscheint.

Andromeda-Galaxie

Das am weitesten entfernte Objekt, das wir mit bloßen Augen erkennen können, ist der Andromedanebel. Die 2,5 Millionen Lichtjahre von uns entfernte Spiralgalaxie enthält rund eine Billion Sterne – und alles, was wir am Nachthimmel von ihr sehen, ist ein unscheinbares, schwach leuchtendes Fleckchen.

Mit einem Fernrohr lassen sich natürlich viel weiter entfernte Galaxien entdecken. Doch selbst beim Blick durch ein großes Teleskop bleiben Galaxien nur schwach leuchtende Fleckchen. Denn im Gegensatz zu den punktförmigen Sternen nimmt die Helligkeit von räumlich ausgedehnten Himmelsobjekten ab, wenn man sie durch ein Fernrohr betrachtet – die sogenannte Flächenhelligkeit sinkt mit dem Quadrat der Vergrößerung. Im Fall von sehr kleinen Vergrößerungen kommt ein weiteres Problem hinzu: Ein Großteil des Lichts fällt nicht mehr in das Auge des Astronomen, sondern daran vorbei. Diese beiden Effekte lassen Galaxien bei der direkten Beobachtung gewissermaßen verblassen.

An heutigen Großteleskopen wie etwa dem Very Large Telescope in Chile beobachten Astronomen nicht mehr mit ihren eigenen Augen. Sie setzen lichtempfindliche elektronische Bauelemente – sogenannte CCD-Sensoren – ein, die sich beispielsweise auch in Digitalkameras befinden. Während das Auge immer nur eine Momentaufnahme des Teleskopbilds wahrnimmt, können CCD-Sensoren das Licht über einen längeren Zeitraum sammeln. Erst dadurch entstehen scharfe und kontrastreiche Abbilder von Galaxien.

Mit solchen Langzeitaufnahmen können Astronomen auch in immer größere Entfernungen vordringen. Berühmt geworden ist beispielsweise das Ultra Deep Field des Weltraumteleskops Hubble, das eine Million Sekunden oder umgerechnet etwas mehr als elf Tage lang belichtet wurde. Die Aufnahme zeigt Himmelsobjekte, die bis zu 13 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sind. Ein derart tiefer Blick ins All ist gleichsam auch ein Blick in die kosmische Vergangenheit: Da das Licht 13 Milliarden Jahre zur Erde unterwegs war, sehen wir diese Objekte so, wie sie vor 13 Milliarden Jahren ausgesehen haben – also etwa 800 Millionen Jahre nach dem Urknall.

Farblich „gesprenkeltes“ Abbild des Universums. Die verschiedenen Farben entsprechen jeweils unterschiedlichen Temperaturen der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Kosmische Hintergrundstrahlung

Bevor das Universum im Urknall entstand, gab es weder Raum noch Zeit – und somit auch kein Licht. Dadurch wird der Blick in die „unendlichen Weiten“ ebenfalls durch einen Horizont begrenzt: Wir können nur denjenigen Teil des Kosmos beobachten, aus dem Lichtteilchen im Lauf von 13,8 Milliarden Jahre zu uns gelangen konnten. Tatsächlich lässt sich dieser Beobachtungshorizont sogar „sehen“. Etwa 380 000 Jahre nach dem Urknall war die Temperatur im Weltall so weit gesunken, dass sich aus Elektronen und Protonen elektrisch neutrale Wasserstoffatome bildeten. Während die Lichtteilchen voher permanent mit den elektrisch geladenen Teilchen in Wechselwirkung getreten waren, konnten sie sich nun ungehindert ausbreiten – das Universum wurde für Licht durchsichtig.

Die damals freigesetzte Strahlung erfüllt bis heute als „kosmische Hintergrundstrahlung“ den Kosmos. Diese Strahlung stammt quasi vom kosmischen Horizont – und kommt damit aus der größten Entfernung, auf die wir zurückblicken können. Die genaue Untersuchung dieser Hintergrundstrahlung durch das europäische Weltraumobservatorium Planck hat es beispielsweise möglich gemacht, das Alter des Kosmos genauer als zuvor zu bestimmen – auf 13,8 Milliarden Jahre.

Anmerkung der Redaktion: Die erste Version dieses Artikels erschien 2009 auf Welt der Physik. Im Januar 2020 haben wir den Text überarbeitet und aktualisiert.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/reichweite-von-fernrohren/