Spirale im frühen Universum

Rainer Kayser

Ausgedehntes leuchtendes Objekt vor schwarzem Hintergrund mit schwach erkennbarer Spiralstruktur

ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), T. Tsukui & S. Iguchi

Bereits 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall gab es eine scheibenförmige Galaxie mit einer spiralförmigen Struktur, die den Spiralgalaxien im heutigen Kosmos ähnelt. Das zeigen nun zwei Astrophysiker, indem sie Archivdaten der Radioteleskopanlage ALMA in Chile neu analysierten. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“ berichten, bilden sich spiralförmige Galaxien demnach deutlich früher als bislang angenommen und lange bevor die kosmische Sternentstehung ihren Höhepunkt erreichte.

„Spiralgalaxien enthalten ganz bestimmte Strukturen: eine Scheibe, Spiralarme und eine Verdichtung von Sternen im Zentrum“, erläutern Takafumi Tsukui und Satoru Iguchi von der SOKENDAI in Tokio. Wann genau solche Strukturen im Kosmos entstehen, war bislang jedoch noch nicht bekannt. Nach bisherigen Modellen der Galaxienentwicklung beginnen Sternsysteme zu entstehen, wenn kleine, unstrukturierte Vorläufer von Galaxien, sogenannte Protogalaxien, zufällig miteinander verschmelzen. Danach dauert es mehrere Milliarden Jahre, bis sich daraus die heute bekannten stabilen Formen von Spiralgalaxien und elliptischen Galaxien bilden.

Satellitenschüsseln unterm Nachthimmel

Die Radioteleskopanlage ALMA

Doch in den Daten der Radioteleskopanlage ALMA in den nordchilenischen Anden stießen Tsukui und Iguchi nun auf eine auffällig junge Galaxie. Das Alter des Objekts mit der Bezeichnung BRI 1335-0417 bestimmten die Forscher anhand der Rotverschiebung: Je stärker die elektromagnetischen Wellen, die ein Stern oder eine Galaxie aussendet, aufgrund der Expansion des Weltalls gestreckt wurden, desto weiter ist ein solches Objekt von uns entfernt. Die Radiostrahlung der Galaxie BRI 1335-0417 ist so stark rotverschoben, dass sie bereits vor 12,4 Milliarden Jahren ausgesendet worden sein muss. Wir sehen die Galaxie also so, wie sie gerade einmal 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall ausgesehen hat.

Die beiden Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass die Materie im Zentrum der jungen Galaxie bereits stark verdichtet ist, und entdeckten dort ein supermassereiches Schwarzes Loch. Auch eine ausgedehnte Scheibe mit zwei ausgeprägten Spiralarmen weist die Galaxie bereits auf. Das ist in dieser frühen Epoche des Kosmos überraschend. Denn die frühesten Spiralstrukturen, die von ALMA bislang entdeckt wurden, sind erst 2,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall entstanden. Zu jener Zeit erreichte auch die Entstehung neuer Sterne im Universum ihren Höhepunkt.

Solche spiralförmigen Strukturen im jungen Kosmos beeinflussen womöglich die Entwicklung von Galaxien stark, spekulieren Tsukui und Iguchi. Die Spiralen könnten den Zustrom von Gas in das Innere von Galaxien verstärken und so die Entstehung neuer Sterne auslösen. Möglicherweise treibt also die Entstehung von Spiralstrukturen die Entstehung neuer Sterne an – und nicht umgekehrt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/spirale-im-fruehen-universum/