Ungewöhnliches Schwarzes Loch entdeckt

Rainer Kayser

Dunkles, von eine Materiescheibe umgebenes Objekt, im Hintergrund ein heller Stern.

J. Yu/Beijing Planetarium

Einem internationalen Team von Astronomen ist erstmals der Nachweis eines stellaren – also aus einem Stern entstandenen – Schwarzen Lochs allein aufgrund seiner Bewegung gelungen: Das 15 000 Lichtjahre entfernte Objekt LB-1 bildet ein Doppelsystem mit einem normalen Stern und erweist sich mit der siebzigfachen Masse unserer Sonne als ungewöhnlich groß. Eigentlich sollte es Schwarze Löcher mit einer derart großen Masse gemäß den theoretischen Modellen zur Sternentwicklung in unserer Milchstraße nicht geben, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

Bislang haben sich alle in der Milchstraße nachgewiesenen stellaren Schwarzen Löcher durch Röntgenstrahlung verraten. Denn indem die Schwarzen Löcher enge Doppelsysteme mit normalen Sternen bilden, entreißen sie ihnen Materie – die sich wiederum beim Einfall in das Schwarze Loch aufheizt und Röntgenstrahlung aussendet. Mit maximal 30 Sonnenmassen entsprechen die Massen der etwa zwei Dutzend Objekte den Erwartungen der Astronomen. Doch Schwarze Löcher, die Röntgenstrahlung aussenden, sind die Ausnahme. Die meisten stellaren Schwarzen Löcher – von denen etwa 100 Millionen in der Milchstraße vermutet werden – sind zu weit von anderen Sternen entfernt, um Materie aufzusaugen und bleiben damit unsichtbar.

Liu und seinen Kollegen ist nun erstmals der Nachweis eines stellaren Schwarzen Lochs gelungen, das keine Röntgenstrahlung aussendet. Das Objekt LB-1 ließ sich mit LAMOST, einem optischen Teleskop mit einer Öffnung von vier Metern, aufspüren. Mit diesem Spezialinstrument überwachen die Forscher seit 2016 die Spektren von 3000 Sternen auf der Suche nach stellaren Schwarzen Löchern. Denn mit ihrer Anziehungskraft zerren diese unsichtbaren Begleiter an den Sternen, versetzen sie in Bewegung und verraten sich so über den Dopplereffekt, der sich mit dem Teleskop beobachten lässt.

Doch die große Masse von LB-1, die weitere Beobachtungen mit anderen Großteleskopen bestätigt haben, stellt die Forscher vor ein Rätsel. „Extrem massereiche Sterne mit der für unsere Galaxie typischen chemischen Zusammensetzung verlieren am Ende ihrer Existenz eigentlich einen großen Teil ihrer Masse durch starke Sternwinde ins Weltall“, erläutert Jifeng Liu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Daher sollten bei Supernova-Explosionen in der Milchstraße nur Schwarze Löcher mit einer maximalen Masse von 35 Sonnen entstehen.

In den vergangenen Jahren konnten Astronomen mit den großen Gravitationswellen-Detektoren zwar stellare Schwarze Löcher mit vergleichbar großen Massen nachweisen. Doch diese sind Milliarden Lichtjahre entfernt – und befinden sich damit in einer kosmischen Epoche, in der sich erheblich massereichere Sterne bilden konnten. Der überraschende Nachweis eines derart massereichen Objekts in unserer Milchstraße stelle demnach „eine Herausforderung für die Modelle der Sternentwicklung dar“, betonen Liu und seine Kollegen. Möglicherweise sei LB-1, so spekulieren die Forscher, nicht durch den Kollaps eines einzelnen Sterns entstanden, sondern durch die Verschmelzung zweier Sterne mit jeweils etwa 35 Sonnenmassen – und damit in Einklang mit der Theorie.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/ungewoehnliches-schwarzes-loch-entdeckt/