„Den Himmel Stück für Stück abrastern“

Dirk Eidemüller

Amanda Wilber/LOFAR Surveys Team

Im Bereich der langwelligen Radiostrahlung war das Universum bislang weitestgehend unerforscht. Doch mithilfe des Teleskopverbunds LOFAR – kurz für Low Frequency Array – erstellten Astronomen nun erstmals eine Himmelskarte in diesem Frequenzbereich. Welche Entdeckungen die Forscher mit den über ganz Europa verteilten Radioteleskopen machten, erzählt Marcus Brüggen von der Universität Hamburg im Interview mit Welt der Physik.

Porträt des Wissenschaftlers Marcus Brüggen

Marcus Brüggen

Welt der Physik: Was ist das Besondere an dem Teleskopverbund LOFAR?

Marcus Brüggen: Wir messen im Bereich der langwelligen Radiostrahlung, was ungefähr den Frequenzen der UKW-Radiosender entspricht. Bei diesen Wellenlängen reichen vergleichsweise einfache Antennen, um Signale aufzufangen. Die Kunst liegt nun darin, aus diesen Signalen aufschlussreiche Daten zu machen. Denn wir Astronomen haben hier mit zwei großen Problemen zu kämpfen: Einerseits stört die Ionosphäre der Erde die Signale und andererseits wird bei so langwelliger Strahlung die Auflösung von Teleskopen sehr schlecht. Das folgt aus den elementaren Gesetzen der Optik, denen zufolge man ein umso größeres Teleskop braucht, je größer die Wellenlänge ist, bei der man beobachten will.

Wie geht LOFAR mit diesen Schwierigkeiten um?

Unser Verbund besteht aus über 100 000 Einzelantennen, die quer über Europa verteilt sind und im Computer zusammengeschaltet werden. Bei diesem Interferometrie genannten Verfahren, das auch bei anderen Teleskoptypen angewandt wird, erhält man durch einen Vergleich der Signale aller Radiostationen quasi ein „virtuelles Teleskop“. Dessen Auflösung entspricht derjenigen eines Teleskops, dessen Durchmesser so groß wie der Abstand der am weitesten entfernten Antennen ist. Da unsere Antennen bis zu 1300 Kilometer weit auseinanderstehen, erreichen wir so eine Auflösung vergleichbar mit einem mittelgroßen optischen Teleskop. Obwohl unsere Antennen nicht beweglich sind, können wir die „Blickrichtung“ jeweils anpassen und den Himmel Stück für Stück abrastern.

LOFAR deckt einen Frequenzbereich von 10 bis 240 Megahertz ab. Was sind die größten Störquellen bei diesem für die Radioastronomie noch weitgehend unerschlossenen Frequenzbereich?

Es gibt viele irdische Störquellen, die wir mit geeigneten Filtermechanismen aus den Daten entfernen müssen. Im Bereich von 80 bis 110 Megahertz liegt etwa der terrestrische Rundfunk. Die Sendeleistung von Radiomasten ist so stark, dass sie die schwachen Signale aus den Tiefen des Alls hoffnungslos überlagern. Deshalb machen wir uns gar nicht erst die Mühe, in diesem Frequenzbereich zu suchen. Bei einigen anderen Frequenzen gibt es auch menschengemachte Störquellen, etwa den Polizeifunk oder die Flughafenkommunikation. Aber diese können wir ganz gut isolieren. Auch Blitze senden starke Radiowellen aus. Interessanterweise haben wir herausgefunden, dass LOFAR ein hervorragendes Instrument ist, um Blitze in der Atmosphäre zu vermessen.

Sie haben erstmals den Himmel über der Nordhalbkugel der Erde kartiert. Wie geht die Analyse voran?

Im Vergleich zu optischen Teleskopen sehen wir einen relativ großen Himmelsabschnitt auf einmal. Aber die Analyse im Computer – um aus Hunderten von Gigabyte an Rohdaten eine Karte mit astronomischen Quellen zu erstellen – ist sehr aufwendig. Das geschieht unter anderem an den Supercomputern des Forschungszentrums Jülich. Andere Datencenter stehen in Amsterdam und Posen. Wir haben jetzt rund fünf Prozent der Daten aus zwei Jahren Beobachtungszeit analysiert.

Eine weite grüne Wiese von oben betrachtet. Im Zentrum ein rundes Feld von einem Wassergraben umgeben, auf dem Antennen als dunkle Flecken zu erkennen sind.

LOFAR-Station in den Niederlanden

Gibt es beim jetzigen Stand der Auswertung schon Überraschungen?

Wir haben schon 300 000 Radiogalaxien gefunden. Das sind Galaxien, die im Frequenzbereich der Radiostrahlung besonders hell strahlen. Der Grund dafür ist, dass sich im Zentrum dieser Galaxien ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet und Materie ansaugt. Dabei werden unter anderem starke Radiowellen freigesetzt. Vor allem massereiche Galaxien scheinen durchgehend im Radiobereich aktiv zu sein. Kleinere Galaxien legen gerne auch mal Ruhepausen ein. Quellen aus der Milchstraße, unserer Heimatgalaxie, sind für LOFAR weniger interessant, weil sie nur bei anderen Wellenlängen sichtbar sind.

Wie sieht es mit großräumigeren Strukturen aus, etwa mit Galaxienhaufen?

Das ist ein wichtiges Forschungsgebiet für LOFAR. Wenn Galaxienhaufen kollidieren, entstehen Turbulenzen und Stoßwellen in den gigantischen intergalaktischen Gasmassen, die sich über riesige Distanzen erstrecken und als kosmische Teilchenbeschleuniger wirken. Bislang haben wir rund fünfzig solcher Quellen entdeckt. Sie scheinen sogar noch effizientere Teilchenbeschleuniger zu sein als bislang angenommen und sind für einen Teil der hochenergetischen kosmischen Strahlung verantwortlich.

Sie untersuchen auch die sogenannten Filamente der kosmischen Materie – riesige Materiekonzentrationen zwischen Galaxienhaufen. Welche Strukturen finden Sie dort?

Mit LOFAR können wir die Magnetfelder in den Filamenten kartieren. Wir können insbesondere deren Polarisation bestimmen. Diese Eigenschaft liefert einen Hinweis, ob diese Magnetfelder schon kurz nach dem Urknall entstanden oder erst später von Sternen und Schwarzen Löchern in Form von dünnem Plasma in den intergalaktischen Raum geschleudert worden sind. Bis jetzt haben wir erst eine Messung dazu durchführen können, die auf eine eher späte Entstehung hinweist. Aber das ist eine offene Frage, die wir künftig besser beantworten wollen.


Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt „D-LOFAR IV - Eine deutsche Beteiligung am Internationalen LOFAR-Teleskop“ im Zeitraum von Juli 2017 bis Juli 2020 mit rund 1,9 Millionen Euro.

Fördersumme: 1 892 711 Euro

Förderzeitraum: 01.07.2017 bis 30.06.2020

Förderkennzeichen: 05A17GU2, 05A17PBA, 05A17PC1, 05A17STA

Beteiligte Institutionen: Universität Hamburg, Universität Bielefeld, Ruhr-Universität Bochum, Thüringer Landessternwarte Tautenburg

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/den-himmel-stueck-fuer-stueck-abrastern/