Händigkeit der Elektronen beeinflusst Reaktion mit Molekülen

David Vogel

Ausschnitt aus der Doppelhelix eines DNS-Moleküls

Komplexe Moleküle können prinzipiell in zwei verschiedenen Varianten existieren, die sich zueinander verhalten wie die linke zur rechten Hand. Diese Eigenschaft der Spiegelsymmetrie kommt auch bei Eigenschaften von Elementarteilchen vor – es gibt linksdrehend und rechtsdrehend polarisierte Elektronen. Welchen Einfluss diese Händigkeiten in Reaktionen zwischen Elementarteilchen und Molekülen spielen, zeigt eine in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlichte Untersuchung von Joan Dreiling und Timothy Gay von der Universität Nebraska. In ihren Experimenten brachen rechtshändige Moleküle unter Elektroneneinstrahlung etwas leichter auseinander, wenn der Spin der Elektronen in die Richtung des Strahls zeigte statt dagegen. Die Forscher unterstützen damit einen wesentlichen Teil der Vester-Ulbricht-Hypothese aus den 1950er Jahren, die zu erklären versucht, warum die Spirale des DNS-Moleküls nur in rechtshändigem Drehsinn vorkommt.

Einige Moleküle kommen in der Natur sowohl in links- als auch rechtshändiger Variante vor – das DNS-Molekül jedoch nur rechtshändig. Ein Erklärungsversuch aus den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts geht auf einen Effekt der Kernphysik zurück: Zerfällt ein Baustein eines radioaktiven Kernes, so ist das entstehende Elektron viel häufiger links- als rechtshändig, das heißt sein Eigendrehsinn oder Spin verhält sich wie die gekrümmten Finger der linken Hand, wenn der Daumen in die Flugrichtung zeigt. Der Vester-Ulbricht Hypothese zufolge sollen in der Zeit bevor das Leben vor vielen Milliarden Jahren entstand linkshändige Elektronen, die aus radioaktiven Zerfällen im frühen Kosmos stammten, vor allem die linkshändigen Vorstufen der DNS zerbrochen und so die Überzahl der rechtshändigen Variante verursacht haben.

Vorhergehende Untersuchungen zu diesem Mechanismus hatten bereits darauf hingewiesen, dass die Aufspaltung von Molekülen mit spiegelsymmetrischen Varianten auch von der Händigkeit der Elektronen abhängt. Doch waren die Moleküle in diesen Experimenten als Festkörper angeordnet, was Nebeneffekte – etwa die polarisierte Strahlung der im Festkörper abgebremsten Elektronen – ermöglicht hatte. Der genaue Mechanismus der Reaktion blieb dadurch unklar.

Um diese Nebeneffekte auszuschließen, benutzte das Team aus Nebraska ein Gas als Ziel für langsame Elektronen. „Wir wollten eine sehr saubere chemische Reaktion haben“, erläutert der Koautor Gay. Fing ein Molekül ein Elektron ein, so zerbrach es in einen neutralen und einen elektrisch geladenen Teil. Letzterer flog zu einer Elektrode, wo ihn die Forscher registrierten und aus der Stromstärke die Rate der zerbrochenen Moleküle ermittelten. Die verwendeten organischen Moleküle und die Elektronen kamen in beiden Spiegelvarianten vor. Dreiling und ihr Kollege stellten nun fest, dass die Spaltungsreaktion der Moleküle um 0,03 Prozent häufiger stattfand, wenn Moleküle und Elektronen die gleiche Händigkeit hatten. „Der Effekt ist sehr klein, aber wir sehen mit Sicherheit eine Asymmetrie“, kommentiert Gay die Zahlen.

Damit sei die Vester-Ulbricht Hypothese zwar nicht bewiesen, aber gezeigt, dass deren zugrunde liegender Mechanismus prinzipiell funktioniere, so die Autoren. Zu erklären ist vor allem noch, wie sich der extrem kleine Effekt im gesamten Vorkommen an Biomolekülen auf der Erde niederschlagen konnte.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2014/vester-ulbricht-hypothese/