Anteil des Protons an der schwachen Wechselwirkung gemessen

Lisa Leander

Forscher arbeitet an Kabeln des Detektors

Villigen (Schweiz) – Teilchenphysiker und Kosmologen gehen davon aus, dass die Entwicklung des Universums eng mit dem Bruch von Symmetrien zusammenhängt. So suchen sie zum Beispiel nach Unterschieden im Verhalten von Materie und Antimaterie, obwohl sich die beiden Teilchenarten bis auf ihre Ladung exakt zu gleichen scheinen. Auch bei Vorgängen in einem Atom kann es zu sogenannten spontanen Symmetriebrechungen kommen. Mit ihnen hat sich der Physiker Yoichiro Nambu bereits vor fünfzig Jahren beschäftigt und dafür 2008 gemeinsam mit zwei weiteren Wissenschaftlern den Physik-Nobelpreis erhalten. In Experimenten konnten Wissenschaftler nun exakt bestimmen, wie das Proton an der schwachen Wechselwirkung teilhat, und so Nambus Voraussagen nochmals bestätigen.

Die schwache Wechselwirkung ist eine der vier Grundkräfte der Natur und beeinflusst unter anderem, wie die Kernfusion in der Sonne abläuft oder wie bestimmte radioaktive Elemente zerfallen. Am Paul-Scherer-Institut (PSI) in Villigen in der Schweiz beobachtete ein internationales Forscherteam, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Proton in einem Wasserstoffatom ein Myon „einfängt“. Das Myon ist ein Elementarteilchen, das dem Elektron ähnelt und deshalb dessen Platz in der Atomhülle einnehmen kann.

Das Experiment fand in einer Zeitprojektionskammer statt, die in einem Behälter mit extrem reinem Wasserstoffgas eingebettet war. „Mit dieser Kammer konnte die Spur jedes Myons dreidimensional bis zum Stopp aufgezeichnet werden – eine notwendige Grundbedingung für die hohe Präzision des Experiments“, erklärt Malte Hildebrandt, Forscher am PSI. Jedes Mal, wenn ein Myon in die Reaktionskammer eintrat, konnten Hildebrandt und seine Kollegen den Teilchenstrahl blockieren. So stellten sie sicher, dass sie nur das Verhalten einzelner Myonen in der Kammer beobachteten. Im Gegensatz zum Elektron ist das Myon instabil und zerfällt bereits nach etwa zwei Millionstel Sekunden. Im Experiment zerfällt das Myon in der Atomhülle entweder direkt in ein Elektron, ein Neutrino und ein Antineutrino. Oder das Proton fängt das Myon ein und wandelt sich dabei in ein Neutron um, während sich das Myon in ein Neutrino umwandelt. Ein solcher Einfang kommt bei Myonen häufiger vor als bei Elektronen, da die Myonenmasse zweihundertmal größer ist und die Teilchen sich dadurch näher am Atomkern befinden.

Das Team bestimmte die sogenannte Kopplungskonstante, indem es die Elektronen registrierte, die von den nicht eingefangen Myonen ausgesandt wurden, und die Lebensdauer der Myonen maß. Die Kopplungskonstante lässt sich per Computer nicht exakt berechnen, da das Proton aus anderen Elementarteilchen – den Quarks – zusammengesetzt ist. Deshalb ist es schwer vorauszusagen, wie das Proton an der schwachen Wechselwirkung teilhat. Die bisher ermittelten, angenäherten Werte stimmen jedoch gut mit den Ergebnissen des Experiments überein.

Die Beschreibung der ablaufenden Prozesse beruht auf den Untersuchungen des Nobelpreisträgers Nambu. Mit der spontanen Symmetriebrechung erklärte er zunächst das Verhalten supraleitender Teilchen, anschließend übertrug er das Prinzip auf die Teilchenphysik. Die Frage, warum die Teilchen im Universum so unterschiedliche Massen haben, versuchen Wissenschaftler heute mit einem spontanen Bruch der Symmetrie nach dem Urknall zu erklären. Diese Annahme führt direkt zum Higgs-Mechanismus, der unter anderem die Existenz des Higgs-Bosons voraussagt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2013/anteil-des-protons-an-der-schwachen-wechselwirkung-gemessen/