Plasmaforschung: Der vierte Aggregatzustand

Stefan Stohl

Foto eines Plasmas in einem gefrorenen Xenon-Kristall

Der vierte Aggregatzustand wird allgemein als Plasma bezeichnet. Was viele nicht wissen: Plasmen können sehr unterschiedlich beschaffen sein. Während die heißen Plasmen bei niedrigem Druck gut erforscht sind, geben die Plasmen bei hohem Druck und niedriger Temperatur – wie sie im Inneren der großen Planeten vermutet werden – immer noch große Rätsel auf. Der Erforschung dieser Rätsel wird sich die neue Anlage FAIR beim GSI widmen.

Als Schüler lernt man meistens schon recht früh, dass es drei Aggregatzustände gibt: fest, flüssig und gasförmig. Leicht lassen sich diese Zustände im Klassenzimmer an Wasser demonstrieren. Neben diesen Aggregatzuständen – und das erfahren nicht mehr alle Schüler – gibt es einen weiteren: das Plasma. Diesen Zustand erreicht Materie, wenn man so viel Energie in Form von Druck und Temperatur zuführt, dass der Elektronenhülle der Atome einzelne oder alle Elektronen entrissen werden. In der Folge entsteht ein Gebilde (so die wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen) aus freien, negativ geladenen Elektronen und positiven Ionen. Materie in diesem Zustand verfügt über völlig neue physikalische Eigenschaften: So sind Plasmen zum Beispiel in der Regel elektrisch sehr leitfähig und durch Magnetfelder stark beeinflussbar.

In unserer Welt treffen wir häufig auf Plasmazustände ohne sie zu erkennen. So bestehen beispielsweise Kerzenflammen oder Gewitterblitze zum Teil aus Plasma. Im Weltraum trifft man diesen Zustand sehr häufig an: Wissenschaftler vermuten, dass mehr als 99 Prozent der sichtbaren Materie im Kosmos als Plasma vorliegt. So bestehen die Sterne und möglicherweise das Innere von Planeten aus Plasmen.

Plasmen können sehr unterschiedlich beschaffen sein: Je nach Temperatur und Druck existieren sie in verschiedenen Erscheinungsformen. So existiert zum Beispiel Wasserstoff als relativ dünnes Plasma in der Photosphäre der Sonne, als metallische Flüssigkeit im Zentrum großer Planeten oder als heißes Fusionsplasma hoher Dichte im Inneren von Sternen. Auch im Inneren unserer Sonne herrscht ein solches Fusionsplasma, in dem Wasserstoff zu Helium verschmolzen wird.

Die Abbildung zeigt das theoretisch vorhergesagte Phasendiagramm von Wasserstoff. Aufgetragen ist die Temperatur in Elektronenvolt gegen die Teilchendichte. Die normale Festkörperdichte von gefrorenem Wasserstoff ist durch einen Pfeil angedeutet.

Das theoretisch vorhergesagte Phasendiagramm von Wasserstoff

Neben diesen natürlich vorkommenden Plasmen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das Plasma im Labor herzustellen. Zum einen erzeugen es Wissenschaftler durch starke elektrische Stromentladungen in einem Gas oder durch die Verwendung von starken Laserstrahlen. Ein weiterer Weg ist der Einsatz von Schwerionenstrahlen. Hier werden hochintensive Schwerionenstrahlen auf unterschiedliche Elemente geschossen. Die beschossene Materie wird durch diese Energiezufuhr stark angeregt, so dass die Atome ihre herkömmliche Struktur verlieren und die Elektronen frei gesetzt werden. Durch diese Art des „Beschusses“ lassen sich besonders gleichmäßige, größere Plasmen hoher Dichte erzeugen.

Im Inneren von großen Planeten wie dem Saturn oder dem Jupiter erwarten Wissenschaftler nun eine besondere Form des Plasmas, das so genannte stark gekoppelte Plasma, bei dem uns als gasförmig bekannte Elemente wie Wasserstoff, Jod oder Xenon in einen metallischen Plasmazustand übergehen. Das bedeutet, dass die Atomkerne in einem Gitterverband gebunden sind und die Elektronen sich in einem Elektronengas bewegen – genauso wie das von Metallen wie zum Beispiel bei Eisen auf der Erde bekannt ist. Diese Form des Plasmas, das bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen aber hohen Drücken entsteht, wollen die Physiker in der neuen Anlage FAIR am GSI untersuchen. In dieser Anlage werden durch den Beschuss von Materie mit zeitlich kurz hintereinander gepulsten Schwerionenstrahlen extreme Drücke im Megabar-Bereich erreicht, was etwa dem Millionenfachen unseres Luftdrucks entspricht.

Neben dieser Methode Plasmen herzustellen verfügt die GSI auch über die Möglichkeit, Plasmen mit einem besonders starken Laser zu erzeugen. Dieser Phelix-Laser wird im Vergleich zu Schwerionenstrahlen, Plasmen mit geringerer Dichte, aber höheren Temperaturen erzeugen und somit andere Bereiche des Übergangs in den Plasmazustand (Phasenübergang) erforschbar machen.

Blau-grün-gelb-roter Streifen auf schwarzem Hintergrund.

Foto eines Plasmas in einem gefrorenen Xenon-Kristall

Von der weltweit einmaligen Kombination zwischen den Schwerionen- und Laserstrahlen erwarten Physiker neue Ergebnisse für die Plasmaforschung, die durch bisherige Experimente nicht möglich waren. Zum einen machen die Laser- und die Schwerionenstrahlen unterschiedliche Bereiche im Phasendiagramm zugänglich. Zum anderen ermöglichen sie neuartige Experimentier- und Beobachtungstechniken. Letztere sind vor allem deshalb notwendig, weil die Plasmazustände im Labor nur sehr kurzlebig (weniger als eine Nanosekunde) sind. Ein von Schwerionenstrahlen erzeugtes Plasma wird durch einen aus einer anderen Richtung gleichzeitig eingeschossenen Laserstrahl analysiert – und umgekehrt. Für derartige Experimente sind neue besondere Strahl-Handling-Techniken (Synchronisation, Strahlfokussierung, und so weiter) sowohl für Laser- als auch für Schwerionenstrahlen notwendig.

Die Experimente, die durch FAIR möglich werden, eröffnen zugleich die Perspektive, die physikalischen Grundlagen der so genannten Trägheitsfusion zu erforschen. Einige Wissenschaftler sehen darin die Zukunft der Energieversorgung für die Menschheit. Dabei sollen kleine Wasserstoffkapseln durch Beschuss von Schwerionenstrahlen so verdichtet werden, dass der Fusionsprozess zu Helium unter Freisetzung von nutzbarer Energie in Gang gesetzt wird.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/experimente/teilchenbeschleuniger/fair/plasmaforschung/