„Wie Hunderttausende Schallquellen“

Franziska Konitzer

Die Illustration zeigt die Funktionsweise eines akustischen Hologramms.

Auf einer Wasseroberfläche ordnen sich Mikrokügelchen scheinbar wie von selbst in Form einer Friedenstaube an. Tatsächlich treiben Forscher die Kügelchen mithilfe von Schall an: Im Wasser erzeugt eine Kunststoffscheibe ein komplexes dreidimensionales Schallmuster, das Objekte auf der Oberfläche gezielt zur gewünschten Position lenkt. Dieses Prinzip ließe sich neben Wasser auch auf beliebige andere Stoffe übertragen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“. Welt der Physik sprach darüber mit Peer Fischer vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart.

Welt der Physik: Wie lassen sich Gegenstände mithilfe von Schall bewegen?

Peer Fischer: Das geht über den Druck, den Schallwellen erzeugen. Der Schalldruck drückt die Partikel entweder direkt oder die Reflexion und Ablenkung des Schalls an einem Objekt führt zu einer Kraft aufgrund der Impulserhaltung. Je nach den Materialeigenschaften und der Umgebung kann ein Partikel zu höherem oder niederem Druck bewegt werden.

Foto des Wissenschaftlers Peer Fischer im Labor.

Peer Fischer vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart

Könnte ich als Mensch davon etwas im Labor hören?

Nein, weil wir Ultraschallwellen verwenden, die ein Mensch nicht hören kann. Dazu zählen Schallwellen mit Frequenzen von über vierzig Kilohertz. In unseren Experimenten liegen wir sogar bei zwei Megahertz. Dazu kommt noch, dass Experimente typischerweise bei einer einzigen Frequenz durchgeführt werden, das ist also nicht vergleichbar mit der Situation, wenn beispielsweise jemand spricht. Da gibt es ja immer mehrere Frequenzen, während wir im Experiment sozusagen nur einen einzigen Ton verwenden.

Welche Schallquellen verwendet man normalerweise, um Objekte gezielt zu lenken?

Man verwendet sogenannte Transducer, das sind piezoelektrische Elemente. Deren Schwinger werden elektrisch angeregt und erzeugen so Ultraschallwellen. Aber wenn man ein komplexes Schallfeld erzeugen will, dann geht das auf der Basis von Interferenz. Bislang hat man dafür also eine große Anzahl dieser Ultraschallquellen benötigt, die alle gleichzeitig angesteuert werden müssen, sodass die Phasen ihrer Schallwellen genau aufeinander abgestimmt sind, denn sie müssen alle genau passend miteinander interferieren. Das wird sehr schnell sehr aufwendig, für komplexe Schallmuster braucht man die ganze Steuerungselektronik, Verstärker und so weiter, und es ist außerdem sehr teuer: So ein System kostet leicht Zehntausende Euro.

In einer Schale befindet sich Wasser, an deren Oberfläche Ultraschall mikroskopisch große Kügelchen in einer Form einer Friedenstaube angeordnet hat.

Akustisches Hologramm erzeugt Taubenform

Welchen Ansatz haben Sie stattdessen gewählt?

Wir verwenden in einem ersten Schritt einen einzigen, herkömmlichen Transducer. Aber an seiner Vorderseite haben wir ein akustisches Hologramm angebracht. In unserem Fall ist das eine Plastikscheibe mit einem Relief, die wir mit einem 3D-Drucker hergestellt haben. Jede unterschiedliche Dicke, die wir mit dem 3D-Drucker herstellen können, entspricht dabei einem Pixel.

Wie kommt es bei diesem akustischen Hologramm zur Interferenz der Ultraschallwellen?

Der Ultraschall, der diese Scheibe durchquert, benötigt dafür aufgrund der unterschiedlichen Dicke der Scheibe unterschiedlich lange. Wenn der Ultraschall auf der anderen Seite herauskommt, hat er also für jeden Pixel, den er durchquert hat, eine unterschiedliche Wellenphase. Mit einem Schlag haben wir somit das Äquivalent von Zehntausenden bis Hunderttausenden einzelner Schallquellen. Damit können wir jetzt sehr viel komplexere Ultraschallfelder erzeugen, weil die Summe dieser Quellen ein komplexes Interferenzbild ergibt. Es ist vollkommen undenkbar, das auf elektronischer Ebene mit einzelnen Transducern zu erreichen.

Inwiefern handelt es sich dabei um ein Hologramm?

Das Hologramm ist in diesem Fall das physikalische Objekt, das man in der Hand halten kann. Wenn man auf seine Kreditkarte schaut, was da so schön schimmert, ist das auch ein Hologramm: ein physikalisches Objekt, in dem das reflektierte Licht das dreidimensionale Bild ergibt. Ein Hologramm ist die physikalische Repräsentation, in unserem Fall die Plastikscheibe. Wird diese von Schallwellen durchquert, erzeugen diese ein holografisches Bild, also das komplexe Schallmuster – wir haben das beispielsweise sichtbar gemacht, indem wir ein solches Schallmuster erzeugt haben, in dem sich Mikrokügelchen im Wasser zum Muster einer Taube angeordnet haben.

Die Illustration zeigt die Funktionsweise eines akustischen Hologramms.

Ein akustisches Hologramm

Funktioniert diese Technik auch in Luft?

Es funktioniert auch in Luft, allerdings ist die Auflösung sehr viel geringer als in Wasser. Aber prinzipiell funktioniert es in allen Materialien.

Was sind denn die Vorteile bei diesem neuartigen Hologramm?

Es ermöglicht die Generation von sehr komplexen und individualisierten Ultraschallfeldern und das auch noch in 3D. Außerdem ist unsere Methode sehr günstig, denn das Material zum Druck kostet nur ein paar Euro. Und die Auflösung, die wir erzielen, ist sehr hoch, da kommen wir im Megahertzbereich an die Auflösungsgrenze des Ultraschalls selbst. Mit sehr guten Druckern sind große Hologramme vorstellbar, die Hunderttausende von Pixeln haben.

Was sind mögliche Anwendungsbereiche?

Wir können Ultraschallfelder für verschiedenste Anwendungen je nach Wunsch gezielt verändern. Das ist für Materialinspektionen bei Ultraschallprüfverfahren interessant, aber auch für Bildgebungsverfahren in der medizinischen Diagnostik oder der Therapie, wo man Ultraschall beispielsweise gezielt um Kurven lenken will oder Gewebe gezielt zerstören möchte, ohne anderes Gewebe zu schädigen. Mit einem akustischen Hologramm kann man das alles umsetzen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2016/wie-hunderttausende-schallquellen/