Spintronik mit Magneteffekten

Dirk Grundler

Spin-FET

Die Spintronik stellt eine Weiterentwicklung der Magnetoelektronik dar. In der Magnetoelektronik finden magnetische und unmagnetische Metalle sowie isolierende oxidische Materialien Anwendung. Sie hat so wichtige Entdeckungen wie den Riesenmagnetowiderstands-Effekt (GMR: giant magnetoresistance effect) und das spin-abhängige quantenmechanische Tunneln von Elektronen (TMR: tunneling magnetoresistance effect) hervorgebracht.

Diagramm mit mehreren senkrecht parallelen Flächen. Zwei Messkurven durchziehen dieses Muster.

Bandstruktur eines Ferromagnet-Halbleiter-Moduls

Ursache ist, dass der in magnetischen Metallen fließende Strom spin-polarisiert ist und der abfallende Widerstand stark von der magnetischen Ausrichtung benachbarter Schichten abhängt. Damit kann der Strom-Transport magnetisch gesteuert und geschaltet werden. Die Spin-Effekte haben sich als äußerst robust gezeigt und dem IT-Markt neue Impulse gegeben. So werden sie bereits in einer neuen Generation von Leseköpfen genutzt. Auch werden sie voraussichtlich im Jahr 2004 in Form von neuartigen MRAM-Speicherzellen auf den Markt kommen.

Charakteristisch für die magnetoelektronischen Bauelemente sind die kurzen Längenskalen (im Nanometer-Bereich), auf denen sich in den metallischen Systemen die Spin-Transport-Phänomene abspielen. Zum einen stellen sie bei der Herstellung eine hohe Herausforderung an die Reinheit der Materialien dar. So müssen modernste Beschichtungs- und Strukturierungs-Technologien eingesetzt werden. Zum anderen lassen sie aber auch die starke Miniaturisierung der Leseköpfe und eine hohe Integrationsdichte in den MRAM-Speicherzellen zu. So kann der Nachfrage auf dem IT-Markt nach immer höherer Speicherkapazität und Leistungsfähigkeit entsprochen werden.

Bei der Spintronik ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt, dass magnetische Materialien in Halbleiter-Strukturen integriert und elektronisch gekoppelt werden. Ziel der aktuellen Forschungsarbeiten ist es, diese sogenannten Hybrid-Strukturen mit den modernen Nanostrukturierungstechnologien herzustellen und Spin-Transport-Phänomene grundlagen-physikalisch zu untersuchen. Mit der Halbleiter-Spintronik werden auch weitreichende Veränderungen und technologische Fortschritte in der Mikroelektronik erwartet.

Halbleiter-Spintronik

Halbleiter unterscheiden sich fundamental von den metallischen und oxidischen Systemen der Magnetoelektronik, indem die Bandstruktur, in der sich Ladungsträger bewegen, gezielt eingestellt und die Leitfähigkeit über einen weiten Bereich variiert werden kann. Im Fall der Leitfähigkeit geschieht dies über die Anzahl der Ladungsträger – dies sind entweder Elektronen im Leitungsband oder Löcher im Valenzband – und über ihre Beweglichkeit. Wichtig ist, dass diese Eigenschaften sowohl bei der Halbleiter-Herstellung durch Dotierung als auch im fertigen Halbleiter-Bauelement mit Hilfe des sogenannten Feldeffekts durch eine Gate-Spannung eingestellt werden können. Die Kontrolle über die elektronischen Eigenschaften machten die Halbleiter-Materialien so erfolgreich für Anwendungen in der Opto- und in der Mikroelektronik, z.B. bei der schnellen Daten-Prozessierung und Daten-Speicherung.

Zwei Grafiken, die jeweils das gleiche Bauteil zeigen: unten eine Schicht aus Indium-Gallium-Arsenid. Darauf links eine source-Elektrode, Ferromagnet oder Halbmetall. Rechts eine collector-Elektrode aus gleichem Material. Dazwischen von unten nach oben: eine dünne Schicht nichtmagnetisches Material, darauf eine Schicht aus Indium-Aluminium-Arsenid, darauf eine Gate-Elektrode. Unter der ganzen Struktur ist eine zweite Gate-Elektrode angebracht, die genau die entgegengesetzte Spannung zur oberen Elektrode aufweist. In beiden Grafiken sind sowohl in der source-Elektrode als auch in der Kollektorelektrode Elektronen mit nach oben gerichtetem Spin vorhanden. In der oberen Grafik liegt an der Gate-Elektrode eine Spannung, dadurch sind auch die Elektronenspins in der nichtmagnetischen Zwischenschicht alle parallel nach oben gerichtet. In der unteren Grafik liegt an der Gate-Elektrode keine Spannung. Dadurch richten sich die Elektronenspins zwischen source- und collector-Elektrode sukzessive immer weiter von senkrechter in waagrechte Orientierung.

Spin Feld-Effekt-Transistor

In der Halbleiter-Technologie wurde bisher lediglich die Ladung des Elektrons als Informationseinheit verwendet. Durch Berücksichtigung des Spins erhofft man sich Ansätze für gänzlich neuartige Bauelemente und Bauelement-Konzepte. Das betrifft zum einen die Optoelektronik. Hier kann man sich schon heute Spin-LEDs (light emitting diodes), die brillantes rechts- oder linkszirkulares Licht aussenden, oder Spin-VCSELs (vertical cavity surface emitting lasers) vorstellen, die im THz-Frequenzbereich getaktetes Laserlicht erzeugen. In der Mikroelektronik erwartet man zum anderen miniaturisierte Multi-Funktions-Bauelemente, die einen nichtflüchtigen Speicher (MRAM) und einen schnellen Daten-Prozessor vereinigen. Gleichzeitig sollte auch die Leistungsaufnahme deutlich geringer sein als bei konventionellen mikroelektronischen Schaltungen.

Ferromagnet/Halbleiter-Hybridstrukturen: Der Spin-Feldeffekt-Transistor

Ein Paradigma der Spintronik ist der Spin-Feldeffekt-Transistor, der von S. Datta und B. Das im Jahr 1990 kurz nach Entdeckung des GMR-Effekts vorgeschlagen wurde. Dies ist eine lateral nanostrukturierte Ferromagnet/Halbleiter-Hybridstruktur, in der die Vorzüge der Halbleiter-Technologie mit denen der Magnetoelektronik zu neuer Funktionalität verbunden werden. Grundlegend neuartig an dem Vorschlag ist, dass die Gate-Spannung nicht – wie herkömmlich – die Leitfähigkeit im Halbleiter-Kanal steuert, sondern den Spin-Zustand der stromtragenden Elektronen (Bild 2).

Grundlegend hierfür ist, dass sich spin-polarisierte Elektronen ballistisch bewegen können, d.h. ohne gestreut zu werden. Dies ist bei tiefen Temperaturen in hochreinen Halbleiter-Kristallen der Fall. Der Spin-Zustand wird dann über den sogenannten Rashba-Effekt kontrolliert: in Verbindungs-Halbleitern, die im Kristallgitter keine Inversionssymmetrie aufweisen, ruft ein eingebautes asymmetrisches elektrisches Feld Spin-Bahn-Wechselwirkung hervor.

Das elektrische Feld muss dabei senkrecht auf der Bahn-Bewegung des Elektrons stehen. In der Halbleiter-Technologie ist dies besonders elegant in einer sogenannten Heterostruktur (Bild 2) realisierbar. Hier ist das elektrische Feld zudem mit Hilfe einer Gate-Spannung an der Feldeffekt-Elektrode von außen steuerbar. Bewegt sich ein Spin-Zustand durch den Halbleiter-Kanal, kann aufgrund der Spin-Bahn-Wechselwirkung eine Präzessionsbewegung stattfinden und sich die Spin-Ausrichtung verändern. Dieser Effekt hängt sowohl von der Länge der Gate-Elektrode zwischen den ferromagnetischen Kontakten als auch von der angelegten Spannung ab. Damit wird der Magnetowiderstands-Effekt im Spin-Feldeffekt-Transistor sowohl magnetisch als auch elektrisch steuerbar und im Vorzeichen umkehrbar. Dies eröffnet neue Wege in der Untersuchung der Spin-Transport-Phänomene und in der Transistor-Technologie.

Der Rashba-Effekt ist experimentell nachgewiesen. Komplette Ferromagnet/Halbleiter-Hybridstrukturen sind mit modernen Nanostrukturierungstechnologien in Form von Spin-Feldeffekt-Transistoren bereits realisiert. In Bild 3 ist ein nanostrukturiertes laterales Bauelement gezeigt, das zentral zwei ferromagnetische Kontakte an einem Halbleiter-Kanal besitzt.

Die beobachteten Widerstandseffekte deuten daraufhin, dass die bisher erreichte Spin-Injektionseffizienz in Halbleiter-Nanostrukturen deutlich unter derjenigen in den metallischen Dünnschicht-Strukturen liegt. Es müssen deshalb Anstrengungen in Richtung größerer Reinheit der Grenzflächen und in der Materialentwicklung unternommen werden.

Spin-Transport im Halbleiter

Aus vier senkrecht aufeinander stehenden Richtungen führen jeweils vier Leiterbahnen zentral auf eine elektronische Chipstruktur hin.

Spintronik-Testchip

Die Spintronik bietet in der Materialwissenschaft und in der Festkörper-Physik faszinierende Perspektiven. So spielen Spin-Phänomene in Halbleitern eine wichtige Rolle in modernen physikalischen Forschungsrichtungen, wie z.B. in der Kondo-Physik und in der Quanten-Informations-Verarbeitung.

In Halbleiter-Materialien hat sich eine Spin-Eigenschaft gezeigt, die so in den metallischen Materialien nicht auftritt. Dies betrifft die Kohärenz des quantenmechanischen Spin-Zustands von Elektronen. Mit spektroskopischen Methoden haben Forscher in Deutschland an der Marburger Universität und in den USA an der UCSB in Halbleiter-Kristallen beobachtet, dass sich Spin-Zustände über makroskopische Längen von etwa 0,1 mm kohärent bewegen können. Dies wird als großer Schritt in Richtung spintronischer Bauelemente angesehen, die auf der langreichweitigen Quanten-Kohärenz beruhen. So kann man sich die parallele Daten-Verarbeitung und -Speicherung in benachbarten Zellen vorstellen. Dieser Ausblick geht weit über die „klassische“ Mikroelektronik hinaus, die auf der Ladung des Elektrons beruht und mit diskreten Bauelementen arbeitet. Besonders wichtig ist, dass die Spin-Kohärenz beim Transport durch Grenzflächen zwischen verschiedenen Halbleiter-Materialien nachweislich nicht zerstört wird. Das Gegenteil ist der Fall: abrupte Grenzflächen scheinen auf extrem kurzer Längenskala (wenige Gitterkonstanten) die Phase des Spin-Zustandes zu kontrollieren. Aufsehen hat auch erregt, dass es den Forschern an der UCSB gelang, Spin-Zustände mit 150 fs-Laserpulsen auf extrem kurzer Zeitskala zu manipulieren. Diese Zeit ist wesentlich kürzer, als die Kohärenz der Spin-Zustände dauert. Diese faszinierenden experimentellen Ergebnisse aus der Grundlagen-Forschung zum Spin-Transport in Halbleitern eröffnen neue Wege in der Festkörper- und in der Nanostruktur-Physik. Dies gilt auch, wenn man an die Realisierung von Quanten-Informations-Bauelementen denkt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/spintronik/magneteffekte/