Reibungskräfte können Autos anheben

Susanne Koch

Papierseiten sind einzeln von links und rechts übereinander geschichtet. Die rechten Seiten werden von einer Metallklammer gehalten.

Die Reibungskräfte zwischen Papierseiten können dem Gewicht von Autos standhalten. Forscher aus Frankreich und Kanada haben ein theoretisches Modell, das diesen Effekt beschreibt, weiterentwickelt und mit zwei Büchern experimentell überprüft. Ihre Ergebnisse haben sie in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Ein Kran hebt mit einem Greifarm Bänder an, die an einer Klammer am Rpcken eines Telefonbuchs befestigt sind. Das Buch ist Seite für Seite in ein anderes Telefonbuch gelegt, das wiederum mit Klammer und Bändern an einem Auto befestigt ist. Der Kran hebt das Auto mit dieser Vorrichtung circa einen Meter über den Boden. Im Hintergrund ist ein Schrottplatz.

Beispiel für starke Reibungskräfte

Die Arbeitsgruppe um Frédéric Restagno von der Universität Paris-Süd legte abwechselnd die Seiten zweier Bücher übereinander. An den Buchrücken brachten sie Kraftmesser an. Wenn die Forscher die beiden Bücher nun trennen wollten, konnten sie die dafür notwendige Zugkraft ermitteln. Dabei fanden sie heraus, dass die aufzuwendende Kraft von der Seitenzahl der Bücher wie auch von der sich überlappenden Papierfläche abhing. Bei der zehnfachen Seitenzahl mussten sie eine um vier Größenordnungen höhere Zugkraft aufbringen, um die Bücher auseinanderzuziehen.

Zwei Telefonbücher sind Seite für Seite ineinandergelegt und werden an den Rücken von Klammern gehalten.

Aufhängung mit Telefonbüchern

Als Ursache nennen die Forscher den Krümmungswinkel der Buchseiten. Dieser entsteht, wenn die Papierseiten des einen Buchs in die des anderen gelegt werden, weil sie sich dabei von ihrer Verankerung am Buchrücken nach außen krümmen. Bei zwei einzelnen Seiten ist dieser Winkel gering, er steigt aber mit der Seitenanzahl stark an. Den Forschern zufolge wandelt der Krümmungswinkel einen Teil der Zugkraft in eine Kraft senkrecht zur Papierfläche um. Diese sogenannte Normalkraft bewirkt dann eine Reibungskraft zwischen den Papierseiten: Je größer der Winkel, desto größer ist auch die Reibung – und somit ist es schwieriger, beide Bücher zu trennen.

„Durch die vereinfachte Modellbeschreibung ist die Publikation interessant und auch mit experimentellen Daten anschaulich belegt“, sagt Valentin Popov von der TU Berlin, der auf dem Gebiet der Reibungsphysik forscht. Allerdings merkte er an, dass die Studie kein neu entdecktes Phänomen untersuche, sondern dieser spezielle Effekt bekannt sei und schon oft vorgeführt wurde. Durch Krümmung ausgelöste Reibung lässt sich auch in anderen Systemen erkennen: zum Beispiel bei einem Tau, das um einen Pfosten gelegt wird oder auch bei chirurgischen Nähten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2016/reibung-von-papierseiten/