Die Physik-Preisträger 2010

Die Preisträger der Auszeichnungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft im Jahr 2010 wurden bekannt gegeben. Die beiden wichtigsten Preise gehen für Arbeiten über die Theorie kondensierter Materie bzw. Spektroskopie an gefangenen Atomen und Molekülen nach Augsburg und Frankfurt am Main. Insgesamt hat die DPG 21 Preisträgerinnen und Preisträger benannt, die auf der Frühjahrstatung im nächsten Jahr ausgezeichnet werden.

links: Max-Planck-Medaille, Dieter Vollhardt, Universität Augsburg; rechts: Stern-Gerlach-Medaille, Horst Schmidt-Böcking, Goethe-Universität Frankfurt am Main

links: Max-Planck-Medaille, Dieter Vollhardt, Universität Augsburg; rechts: Stern-Gerlach-Medaille, Horst Schmidt-Böcking, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Bad Honnef - Dieter Vollhardt von der Universität Augsburg erhält die Max-Planck-Medaille für theoretische Physik. Der 58-jährige Physikprofessor wird für seine Beiträge zur Festkörperphysik ausgezeichnet. Seine Forschungsergebnisse dienen dem Verständnis der mikroskopischen Vorgänge in magnetischen und „elektronisch korrelierten“ Materialien, wie den Metalloxiden. Neben ihrer Bedeutung für die Grundlagenforschung ist Vollhardts Arbeit auch für Entwicklung neuer Materialien von Interesse.

Die Stern-Gerlach-Medaille für experimentelle Physik geht an Horst Schmidt-Böcking (70), Professor an der Universität Frankfurt am Main. Er wird für die die Entwicklung eines Messverfahrens ausgezeichnet, das detaillierte Einblicke in das Innenleben von Atomen und Molekülen liefert. Die COLTRIMS genannte Technik, deren Anfänge in den 1980er Jahren liegen, ermöglicht es, das Auseinanderbrechen von Atomen und Molekülen mit großer Genauigkeit zu vermessen und damit die Bewegungen der beteiligten Elektronen und Atomkerne nachzuweisen. Damit konnten erstmals nicht nur die Energien einzelner Teilchen erfasst, sondern das komplexe Zusammenwirken mehrerer Elektronen und Kerne als Ganzes untersucht werden. Wichtige Naturphänomene, etwa das Knüpfen chemischer Bindungen, beruhen auf dem Zusammenspiel solcher Teilchenbewegungen.

Aus der Reihe der Nachwuchspreise geht der mit 7.500 Euro dotierte Gustav-Hertz-Preis an Thomas Pohl (31) vom Dresdner Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme. Er wird für seine Arbeiten über das künstliche Element Anti-Wasserstoff ausgezeichnet. Dieses künstlich hergestellte Element ist das Pendant zum natürlich vorkommenden Wasserstoff. Es besteht aus Antimaterie: nämlich aus einem elektrisch negativ geladenen Anti-Proton und einem positiv geladenen Positron. Das Interesse für Anti-Wasserstoff rührt daher, dass sich an derlei künstlich hergestellten Atomen fundamentale Theorien der Physik überprüfen lassen. Die Chinesin Na Liu – sie forscht an der Universität Stuttgart – erhält den mit 3.000 Euro dotierten Hertha-Sponer-Preis. Der 30-jährigen Physikerin gelang es, dreidimensionale metallische Metamaterialien für den optischen Wellenlängenbereich herzustellen. Dabei handelt es sich um filigran strukturierte Werkstoffe – sogenannte Nanostrukturen –, die das Licht in ungewöhnlicher Weise ablenken. Forscher erhoffen sich von Metamaterialien neuartige Linsen. Spekuliert wird sogar über „optische Tarnkappen“, die ganze Gegenstände unsichtbar machen könnten.

Für seine Verdienste um die Physik des Wachstums von Graphen und die Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung dieses Materials wird Thomas Seyller von der Universität Nürnberg-Erlangen ausgezeichnet. Er erhält den Walter-Schottky-Preis für Beiträge zur Physik kondensierter Materie. Graphen gilt als materielle Grundlage der Nanoelektronik des 21. Jahrhunderts. Den Robert-Wichard-Pohl-Preis, der für physikalische Beiträge, die auch interdisziplinäre Bedeutung haben vergeben wird, erhält Ulrich Platt von der Universität Heidelberg. Das von ihm entwickelte Verfahren zur Absorptionsspektroskopie hat die Entwicklung von Atmosphärenmodellen revolutioniert. Die Optical Society of America und die Deutschen Physikalischen Gesellschaft verleihen gemeinsam einen Preis für Beiträge zur Quantenoptik und Atomphysik. Der nach Herbert Walther benannte Preis geht an Serge Haroche von der Ecole Normale Supérieur in Paris. Ihm gelang es ein Experiment durchzuführen in dem ein einzelnes Atom mit einzelnen Lichtquanten wechselwirkt und so Schrödingers Katze zu genauer zu untersuchen. Dem Oberstudienrat Michael Winkhaus vom Carl-Fuhlrott-Gymnasium in Wuppertal wird für seine außergewöhnlichen didaktischen Verdienste um die Schulphysik der Georg-Kerschensteiner-Preis verliehen. Ihm liegt insbesondere die Astronomie am Herzen, unter anderem zeichnet er für Konzeption und Bau der hiesigen Schulsternwarte verantwortlich. Der Max-Born-Preis wird gemeinsam von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und dem britischen Institute of Physics im jährlichen Wechsel an in Deutschland beziehungsweise in Großbritannien tätige Physikerinnen und Physiker verliehen. Im nächsten Jahr erhält ihn Simon White, Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. White hat das Lambda-CDM-Modell, das die Dunkle Materie ins Zentrum der Galaxienentstehung stellt und heute als Standardmodell gilt, maßgeblich entwickelt. Eine weitere binationale Auszeichnung, der deutsch-französische Gentner-Kastler-Preis, geht an Le Si Dang, CNRS-Forschungsdirektor am Institut Néel in Grenoble. Der Vietnamese wird für seine Arbeiten im Bereich der Halbleiterphysik geehrt. Zu seinen herausragenden Forschungsergebnissen zählt der experimentelle Nachweis eines „Bose-Einstein-Kondensat“ genannten Quantenzustands im Inneren eines Festkörpers. Ein weiterer Nachwuchspreis geht an den jungen Physik-Ingenieur Jan Mathis Kaster. Der 26-Jährige wird für die Entwicklung einer Apparatur zum Nachweis von Sprengstoffspuren auf Oberflächen ausgezeichnet. Die Sprengstoff-Detektion erfolgt mit Hilfe eines Infrarot-Lasers, der die betreffende Probe abtastet. Diesen Apparat entwickelte Kaster im Rahmen seiner Diplom-Arbeit am Freiburger Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik. Inzwischen ist er Doktorand am Münchner Max-Planck-Institut für Quantenoptik.

Auch Schülerinnen und Schüler mit besonderen Leistungen bei internationalen Physik-Wettbewerben werden von der DPG mit Auszeichnungen bedacht. Die 10 Preisträger erhalten jeweils 500 Euro. Ausgezeichnet werden die fünf deutschen Teilnehmer an der 40. Internationale Physikolympiade. Fabian Gundlach vom Gymnasium Neubiberg (Bayern), Martin Krebs (Jack-Steinberger-Gymnasium, Bad Kissingen (Bayern)), Patrick Steinmüller (Carl-Zeiss-Gymnasium, Jena (Thüringen)), Pascal Cremer (Gymnasium Korschenbroich (NRW)) und Daniel Brügmann (Carl-Zeiss-Gymnasium, Jena (Thüringen)) haben allesamt eine Silbermedaille beim Wettkampf in Mérida (Mexiko) errungen. Die Internationale Physikolympiade ist ein jährlich stattfindender Einzelwettbewerb, der eine theoretische Klausur und eine Prüfung mit experimentellen Aufgaben umfasst. In diesem Jahr mussten sich die Teilnehmer unter anderem mit der Beugung von Laserlicht an einer Rasierklinge und der Bewegung des Mondes befassen.

Das International Young Physicists' Tournament findet als Mannschafts-Wettbewerb statt. Das deutsche Team bestehend aus Marc Burock (Hohenlohe Gymnasium, Öhringen (Hohenlohekreis/Baden-Württemberg)), Simeon Völkel (Augustinus-Gymnasium, Weiden in der Oberpfalz (Bayern)), Britta Vinçon (Gymnasium Schramberg (Kreis Rottweil/Baden-Württemberg)), Dominik Dold (Hebelgymnasium, Lörrach (Baden-Württemberg)) und Lukas Kaiser (Hans Thoma Gymnasium, Lörrach (Baden-Württemberg)) belegte in Tianjin (China) den mit einer Bronzemadaille honorierten siebten Platz. Das Aufgabenspektrum dieses Turniers umfasst 17 physikalische Fragestellungen, die rund ein halbes Jahr vor dem Turnierstart bekannt gegeben und dann von den Teilnehmern bearbeitet werden. Diesmal ging es unter anderem um den Bewegungsablauf beim Skatebord fahren, um die Bodenwellen, die Fahrzeuge auf unbefestigten Straßen hinterlassen, und um „Sandrippel“ – von der Wasserströmung erzeugte Furchen im sandigen Untergrund, wie man sie beim Wattwandern oder bei Strandspaziergängen beobachten kann.

Die Aufgaben sind jedes Jahr anspruchsvoll, Lösungen „von der Stange“ gibt es nicht. Während der monatelangen Vorbereitung entstehen somit regelrechte Forschungsprojekte, deren Ergebnisse beim Turnier vorgestellt werden. Hier diskutierten die Kontrahenten ihre Schlussfolgerungen miteinander und vor den Augen einer Fachjury. Wettkampfsprache bei diesen „Physics Fights“ war Englisch. Insofern mussten die Nachwuchsforscher neben fachlichem Know-how auch sprachliches Geschick beweisen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2009/die-physik-preistraeger-2010/