Wenn die Pole der Erde wandern

Jan Oliver Löfken

Grafik einer fiktiven Polverschiebung

Cambridge (USA) – Nicht nur die magnetischen Pole der Erde wandern, auch die geografischen Pole verändern im Laufe der Erdgeschichte ihre Position. So soll vor etwa 800 Millionen Jahren der Globus sogar um mehr als 50 Grad gekippt sein. Diese echten Polwanderungen, die parallel zur Verschiebung der Kontinente immer wieder auftraten, untersuchten Geowissenschaftler nun genauer. In der Zeitschrift „Nature“ berichten sie, wie Strömungen von flüssigen Gesteinsmassen im oberen Erdmantel und die nur dünne, äußerste Erdkruste die Unwucht des Planeten immer wieder ausgleichen konnten. Die Prozesse beeinflussten auch die Position der Kontinente.

„Paläomagnetische Studien zeigen eine Reihe von großen und relativ schnellen Abweichungen der Rotationspole von der geografischen Oberfläche“, erläutern Jessica Creveling und ihre Kollegen von der Harvard University im US-amerikanischen Cambridge. Allein in den vergangenen 600 Millionen Jahren traten solche echten Polwanderung mindestens fünfmal auf, wie Analysen der in alten Gesteinen eingeprägten Ausrichtungen des Erdmagnetfelds zeigten. Dabei konnten die geografischen Pole binnen weniger Millionen Jahre sogar um einige Dutzend Grad wandern.

Geodynamische Modelle konnten bisher gut erklären, wie gigantische und ungleichmäßig auftretende Konvektionsströmungen im bis zu 2900 Kilometer tiefen Erdmantel zu Polwanderungen führten. Dadurch entstand zeitweisen eine Unwucht, das bedeutet, dass der Schwerpunkt des Planeten vom Rotationszentrum abweicht. Doch die Mechanismen, die immer wieder eine relativ schnelle Stabilisierung der gestörten Erddrehung ermöglichten, blieben lange rätselhaft. Unterstützt mit komplexen Computermodellen, die die Erddrehung und die Trägheit der ungleich verteilten Erdmassen berücksichtigten, fanden nun Creveling und Kollegen eine Erklärung dieses Phänomens. So konnten nach einer Polwanderung Konvektionsprozesse nahe unter der Erdoberfläche die Position der geografischen Pole wieder korrigieren. Zusätzlich unterstützten Bewegungen der dünnen Erdkruste, bestehend aus der flexiblen Lithosphäre, diese Stabilisierung.

Die echten Polwanderungen der Erde hatten daher offenbar einen großen Einfluss auf die Verschiebung der Erdplatten. Ganze Kontinente konnten so von einer Position an den Polen binnen fünf bis zwanzig Millionen Jahren in tropische Regionen gelangen. Allein ein Driften der Kontinente reichen für die Erklärung solcher geologisch schnellen Bewegungen nicht aus.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2012/wenn-die-pole-der-erde-wandern/