In der Schwerelosigkeit den Erdkern verstehen

Jan Oliver Löfken

Columbus

Erfolgreich startete die amerikanische Raumfähre Atlantis am 7. Februar 2008 zur Internationalen Raumstation ISS. Mit an Bord befand sich das europäische Weltraumlabor Columbus, in dem in den kommenden Jahre Forscher zahlreiche Experimente unter Schwerelosigkeit oder genauer gesagt unter Mikrogravitation durchgeführt werden. Insgesamt zehn standardisierte, schrankförmige Bauelemente finden an den Außenwänden des Moduls Platz. Atlantis brachte nun aus Gewichtsgründen zunächst die vier ersten Experimentalschränke ins All. Weitere Versuchseinrichtungen folgen bei künftigen Shuttle-Missionen zur ISS.

Ein Tonnenförmiges Modul ist an einem weiteren, größeren tonnenförmigen Modul angebracht. Weitere Andockmöglichkeiten sind zu erkennen. Im Hintergrund die Erde.

Das Columbus-Modul

Für die physikalische Forschung nimmt das Fluid Science Labor eine zentrale Rolle ein. Und einen der äußerst begehrten Experimentierplätze konnten sich die Strömungs- und Geophysiker der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU) sichern. Geoflow nennt sich der Versuch, der ab Januar nahezu vollautomatisch neue Erkenntnisse über die Strömungen heißer, flüssiger Materialien im Erdinneren liefern soll. „Das Modell-Experiment simuliert konvektive Strömungen im flüssigen Erdkern“, sagt Christoph Egbers, Professor für Aerodynamik und Strömungslehre an der BTU. Zusammen mit französischen und britischen Kollegen entwickelte Egbers Arbeitsgruppe seit 2001 das Geoflow-Experiment, das bei Astrium Space Transportation in Friedrichshafen gebaut und für den Flug ins All getestet wurde.

Simulaton des Erdkerns in der Schwerelosigkeit

Ein Wissenschaftler blickt auf einen schwarzen Kasten, an dem einige dursichtige Öffnungen zu sehen sind. Am Kasten befinden sich einige Knöpfe, Anschlüsse und Anbauteile. Das Gerät ist etwa so groß wie ein Mikrowellenherd.

Labormodell des GEOFLOW-Experiments

Der Schritt ins All ist für den Erfolg dieses Experiments von zentraler Bedeutung. Denn nur ohne nennenswerte Gravitation können die im flüssigen Erdkern wirkenden Kräfte zufriedenstellend simuliert werden. In einem Labor auf der Erdoberfläche stört die Anziehungskraft den Versuchsablauf zu sehr. Um den Bedingungen im Erdkern möglichst nahe zu kommen, wirkt im Geoflow-Experiment ein zentrales Kraftfeld, das vergleichbar ist mit der radial, rundherum wirkenden Gravitation von Planeten.

Verwirklicht werden diese Bedingungen mit zwei ineinander gesetzten, rotierenden Kugelschalen. Zwischen diesen klafft ein etwa 15 Millimeter breiter Spalt, in denen ein Trafo-Öl mit geringer Viskosität zirkulieren kann. Die innere Kugelschale wird geheizt, die äußere dagegen gekühlt. So entsteht ein Temperaturgefälle von maximal zehn Grad, das modellhaft mit der Hitzeverteilung im Erdinnern vergleichbar ist. Natürlich werden dabei nicht die mehreren Tausend Grad wie im Erdkern erreicht. Aber das Trafo-Öl verhält sich bereits bei deutlich tieferen Temperaturen in etwa wie die flüssigen Eisenströme, die sich rund um den festen Erdkern bewegen.

10.000 Volt ersetzen die Schwerkraft

Um nun ein radiales Kraftfeld zu erzeugen, liegt zwischen beiden Kugelschalen eine Hochspannung von etwa 10.000 Volt an. Genau wie das Schwerefeld in unserem Planeten wirkt es zentralsymmetisch zum Mittelpunkt der Kugeln hin. Temperaturgefälle, Rotation und das elektrohydrodynamische Kraftfeld wirken nun auf das Trafo-Öl und setzen es in Bewegung. Es entstehen Strömungen, die mit einem so genannten Laserinterferometer analysiert werden können. Der Laserstrahl erkennt dabei Änderungen in der Lichtbrechung, die charakteristisch für die Bewegungen des Trafo-Öls sind. „Alle Parameter sind so eingestellt, dass die Strömungsphysik auf die Verhältnisse im Erdkern modellhaft übertragbar sind“, sagt Egbers.

Auf zwei Kugeln sind Parameter des Erdkerns modelliert. Es sind wabenartige Strukturen zu erkennen.

Vorhersagemodell des GEOFLOW-Experiments

Startet Anfang Januar 2007 das Geoflow-Experiment, erwarten die Forscher eine große Datenmenge. Während des Versuches werden diese vorerst an Bord des ISS gespeichert. Besteht über einen so genannten Downlink eine Verbindung mit der Raumstation, gelangen diese Messergebnisse zuerst in das Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen und danach über eine Standleitung direkt zur Cottbusser Universität. Hier werden sie von Egbers Team nach und nach ausgewertet.

Anpassbare Vesuchssoftware

Damit der Versuch erfolgreich verlaufen kann, ist jede Messreihe bis ins kleinste Detail geplant. Zeigen erste Auswertungen der Daten eine geophysikalisch spannende Entwicklung, können die Parameter sogar im Nachhinein noch abgepasst werden. Dazu haben Egbers und Kollegen die Möglichkeit, über einen Datenkanal zur Raumstation die Versuchssoftware zu verändern.

Sollte Geoflow die erwarteten Daten über das Verhalten von Flüssigkeiten im Erdkern liefern, denkt Egbers bereits an weitere Versuche. Mit zähflüssigeren Ölen könnte dann die Dynamik nicht nur im flüssigen Erdkern, sondern auch im Erdmantel genauer simuliert und verstanden werden.

Columbus-Weltraumlabor: Die Zahlen

Start

7. Februar 2008 mit der Space-Shuttle-Mission STS-122 (Raumfähre Atlantis)

Länge

6,7 m

Durchmesser

4,5 m

Masse

9,9 t ohne wissenschaftliche Ausrüstung

Wissenschaftliche Ausrüstung

5 t in 10 modularen Schränken

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/erde/iss-modul-columbus/