Wenn die Atmung das Ziel verwackeln lässt

Gerhard Kraft

Korrigierende Bestrahlungstechnik

Liegt der Tumor in Lungennähe, lässt er sich nicht fixieren. Das Rasterscanverfahren muss und kann die Atembewegung mit einkalkulieren.

Lesen Sie im vorigen Teil der Serie über Qualitätssicherung und über das Verfahren der PET-Analyse.

Bewegte Tumoren: Einfluss der Atmung

Links und rechts zwei am Rand unscharfe schwarze runde Scheiben, in der Mitte mehrere unscharfe Kreise gegeneinander verschoben übereinander liegend, mit der größten Überlappung im Zentrum.

Dosis-Verteilung bei unbewegtem und bewegtem Ziel

Um beim Rasterscan-Verfahren eine hochpräzise Bestrahlung zu gewähren, müssen die Patienten millimetergenau fixiert sein – der Strahl kann sonst am vorgegebenen Zielvolumen vorbeigehen. Doch Tumoren im Bauch- und Brust-Raum, im so genannten Thorax, sind auch bei einer äußeren Fixierung des Patienten in Bewegung: durch die Atembewegung und den Herzschlag. Darauf muss die Bestrahlung angepasst werden.

In der konventionellen Therapie kommen zwei Techniken zum Einsatz, um bewegte Ziel-Volumina im Thoraxbereich zu bestrahlen: Die Synchronisation der Bestrahlung mit der Atmung (Gating) und die Mehrfachbestrahlung (Multipainting).

  • Beim Gating wird der Atemzyklus gemessen. Die Bestrahlung erfolgt nur, wenn die Lungen entleert sind, während der kurzen Phase der Ausatmung. Dies sind etwa fünfzehn bis zwanzig Prozent der gesamten Zykluszeit, die dann für die Bestrahlung zur Verfügung stehen. Die restliche Zeit bleibt ungenutzt. Dies verlängert die Bestrahlungszeiten und macht das Gating-Verfahren teurer. Außerdem ist auch die Ausatmungsphase nicht so genau definiert, dass die Präzision einer statischen Bestrahlung erreicht werden könnte.
  • Eine andere Technik, das mehrfache Bestrahlen des gleichen Volumens, verbessert die Homogenität gegenüber einer Einfachbestrahlung. Allerdings hat das Rasterscanverfahren eine gewisse unregelmäßige Periodizität aus dem gepulsten Strahl des Synchrotons. Dies kann mit der Atmung interferieren. So kann selbst bei mehrfacher Wiederholung eine nicht tolerable Dosis-Inhomogenität bestehen bleiben. Außerdem verliert man bei der Mehrfachbestrahlung die steilen Dosisgradienten am Rand. Die Dosisgradienten sind dann von der Amplitude der Bewegung vorgegeben und können einige Zentimeter betragen. Deshalb muss das Planungsvolumen weit in das Normalgewebe hinein vergrößert werden.

Das Rasterverfahren hingegen bietet eine sehr effiziente Möglichkeit der schnellen Korrektur, um die Präzision und Homogenität der Bestrahlung bei bewegten Zielvolumina zu erhalten.

Ein grüner Strahl von links nach rechts durchläuft zwei Paare von plattenförmigen magnetischen Ablenkern, das erste Paar links/rechts, das zweite Paar oben/unten; rechts ist als Ziel ein klumpenförmiger Tumor skizziert, darin vertikale Schnittebenen. Hinter den Ablenkern eine weitere Technik aus zwei Reihen ineinandergreifender Keile, die seitlich beweglich auf einer Schiene sitzen.

Korrigierende Bestrahlungstechnik bei bewegtem Zielvolumen

Die Geschwindigkeiten der Organbewegung im Thoraxbereich liegen unter drei Zentimetern pro Sekunde mit einer maximalen Amplitude von zwei bis drei Zentimetern. Das magnetische Rasterverfahren hingegen hat eine Ablenkungsgeschwindigkeit im Patienten von zehn Metern pro Sekunde, ist also 300-mal schneller. Damit kann der Strahl seitlich der Organ-Bewegung in Echtzeit nachgefahren werden. Die Tiefenbewegung, die eine schnelle Korrektur der Energie der Ionen erfordert, kann nicht durch den Beschleuniger erreicht werden. Eine äquivalente Energiekorrektur durch den Beschleuniger ist in der erforderlichen Zeit von einer Millisekunde bis jetzt nicht möglich. Deshalb wurde ein schnelles passives Energie-Korrektur-System konstruiert. Durch einen Doppelkeil aus Plexiglas wird der Tiefenhub im Patienten ausgeglichen. Die Keile sind auf einen Linearmotor montiert und können mit hoher Geschwindigkeit gegeneinander verschoben werden.

Das Keilsystem – gekoppelt mit dem magnetischen Rastersystem – hat in Test-Experimenten gezeigt, dass es die Aufgaben der Bestrahlung bewegter Volumina bewältigen kann. Bis zum Einsatz am Patienten muss das Bestrahlungssystem durch ein Kontrollsystem ergänzt werden, das die Daten über die Bewegung an das Korrektursystem liefert. Darüber hinaus ist die Bestrahlungs-Planung auf verschiedene Bewegungszustände zu erweitern, von denen dann die richtigen Unterzustände benutzt werden. Diese Ergänzungen bilden zum Beispiel einen Schwerpunkt der technischen Entwicklung an der GSI und werden zusammen mit der Radiologie des Universitätsklinikums Heidelberg und der Firma Siemens Medical Solutions durchgeführt.

Lesen Sie im folgenden Teil über biologische Grundlagen der Bestrahlung und den Begriff der biologischen Wirksamkeit.

 

Weiterführende Literatur

Amaldi U., Kraft G.: Recent applications of Synchrotrons in cancer therapy with Carbon Ions. europhysics news,. Vol. 36, No. 4, pp.114-118, 2005

Schulz-Ertner D. et al.: Results of Carbon Ion Radiotherapy in 152 Patients. Int. J. Radiation Onc. Biol. Phys., Vol. 58, No. 2, pp. 631-640, 2004

Nikoghosyan A., Schulz-Ertner D., et al.: Evaluation of Therapeutic Potential of Heavy Ion Therapy for Patients with locally advanced Prostate Cancer. Int. J. Radiation Onc. Biol. Phys., Vol. 58, No. 1, pp. 89-97, 2004

Kraft G.: Tumor Therapy with Heavy Charged Particles. Progress in Part. and Nucl. Phys., Vol. 45, Suppl. 2, pp. S473-S544, 2000

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/tumortherapie/verwackeltes-ziel/