Wie rutschende Sandhänge zur Falle werden

Jan Oliver Löfken

Ameisenlöwen sind recht faule Jäger. Geduldig lauern die Insektenlarven auf sandigem Boden im Zentrum kleiner Fangtrichter. Allein der komplexen Physik der Sandhänge ist es zu verdanken, dass bevorzugt ihre Lieblingsspeise – Ameisen – in die tödliche Falle tappt. Größere und kleinere Tiere können dagegen meist aus dem Trichter entkommen. Den Mechanismus dahinter konnten Physiker nun entschlüsseln, indem sie in ihrem Labor rutschende Hänge aus granularen Medien wie Sand im Detail analysierten. Ihre Ergebnisse präsentieren sie im Fachblatt „Physical Review Letters“.

Fangtrichter eines Ameisenlöwens

Fangtrichter eines Ameisenlöwens

„Die Stabilität eines Objekt auf einer geneigten, körnigen Oberfläche stellt ein raffiniertes Problem dar“, schreiben Jérôme Crassous von der Universität Rennes in Frankreich und seine Kollegen. Denn ob ein Körper an einem Sandhang abrutscht, hängt nicht allein von seinem Gewicht, sondern auch von der Korngröße, der Hangneigung und den wirkenden Reibungskräften ab. So können kleine Insekten, die weniger als zwei Milligramm wiegen, fast ohne Risiko in den Fangtrichter eines Ameisenlöwens treten – der sandige Abhang bleibt stabil. Insekten, die schwerer als vier Milligramm sind, bringen den Hang und sich selbst zwar etwas ins Rutschen. Doch werfen sie dabei schnell kleine Sandwälle auf, an denen sie sich abstützen und fliehen können. Nur Ameisen mit einem Körpergewicht von zwei bis drei Milligramm bleibt kaum Hoffnung. Sie rauschen ohne jeden Halt in die Kieferzangen der Ameisenlöwen.

Diesen nur schmalen, für Ameisen aber fatalen Bereich der Instabilität untersuchten Crassous und sein Team im Labor mit geneigten Hängen aus Glaskörnchen mit Durchmessern zwischen einem und sechs Millimetern. Auf diese Hänge setzten sie kleine, unterschiedlich schwere Metallscheiben und analysierten die Bedingungen für das Abrutschen. Die Schräge des Hangs entsprach mit knapp dreißig Grad dem sogenannten Schüttwinkel, den aufgeschüttete Körnchen abhängig von den Reibungskräften zwischen ihnen bilden. Die Rutschversuche zeigten klar, dass leichte Metallscheiben stabil an den Hängen liegen bleiben. Etwas schwerere Scheiben brachten die Körnchen in Bewegung und rutschten ohne Halt hinab. Noch schwerere Objekte drückten sich dagegen tiefer in den Sandhang ein, rutschten ein kurzes Stück und wurden von den vor ihnen aufgeworfenen Sandwällen gestoppt.

Auf der Basis dieser Versuche erweiterten Crassous und seine Kollegen die bisherigen Modelle zur Stabilität granularer Medien. Damit ließe sich nicht nur erklären, warum bevorzugt Ameisen in den Fangtrichtern von Ameisenlöwen landen. Auch für den Bau von Robotern, die auf sandigem Terrain eingesetzt werden, liefern diese Experimente wichtige Aspekte.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2017/wie-rutschende-sandhaenge-zur-falle-werden/