Explosionsenergie von Viren gemessen

Erstmals konnten Forscher direkt messen, welche Energie ein Virus nutzt, wenn es eine Zelle infiziert - Ziel ist, Viren mithilfe der Physik zu bekämpfen.

Lund (Schweden)/Lyon (Frankreich) - Die Hülle von Viren explodiert förmlich, um eine neue Zelle zu infizieren. Mit hohem Druck befördert das Virus sein Erbgut in eine Wirtszelle, welche den Parasiten dann vervielfältigt und damit die Infektion vorantreibt. Jetzt ist es europäischen Forschern erstmals gelungen, die dabei notwendige Energie direkt zu messen. Die Messungen bestätigen nicht nur die bisherigen Berechnungen und Simulationen, wie das Team im "Journal of Molecular Biology" berichtet. Sie sollen auch der Medizin zugute kommen: Findet man Wege, den Innendruck im Virus zu senken, könnte dies unabhängig vom Virustyp und von Mutationen Infektionen verhindern helfen.

"Der Druck ermöglicht es dem Virus, seine Gene mit hoher Geschwindigkeit in die Zelle zu bringen, die es infiziert", erklärt Alex Evilevitch, Professor für Biochemie an der schwedischen Lunds Universitet. In früheren Arbeiten hatte er gezeigt, dass der Druck in der Virushülle dem Wasserdruck in 500 Metern Tiefe entspricht, also etwa zehnmal mehr als in einer verschlossenen Sektflasche. Nun gelang es Evilevitchs Team aus Lund und von der École Normale Supérieure de Lyon, mithilfe eines Kalorimeters die notwendige Energie für diesen Infektionsprozess direkt zu messen. Die Forscher betrachteten ein Virus, das nur Bakterien befällt, den so genannten Bakteriophagen Lambda. Teile davon gaben sie in eine Lösung, der das Bakterienprotein LamB zugesetzt war. Dieses Eiweiß entspricht dem Rezeptor einer Wirtszelle und löste das Freisetzen der DNA aus. Die entstehende Reaktionswärme erwärmte die Lösung von anfangs 22° Celsius: Auf die Zahl der Viruspartikel umgerechnet, mit einer Energie von einem 0,37 Billiardstel Joule pro Partikel.

"Bisher waren nur indirekte Messungen dieser Energie möglich", schreiben Evilevitch und Kollegen. "Wir beschreiben erstmals den Einsatz isothermer Titrationskalorimetrie, um direkt die freiwerdende Wärme (oder entsprechend die Enthalpie) während der DNA-Ausstoßes aus der Lambda-Phage zu messen." Die Forscher zeigten auch, dass die vom Virus freisetzbare Energie von der Wassermenge in seiner Hülle bestimmt wird. Entsprechend arbeiten sie an Methoden, diese Wassermenge zu kontrollieren.

Ein Virus besitzt eine dünne Eiweißhülle als Kapsel rund um sein Erbgut, aber selbst weder Zellen noch einen Stoffwechsel. Deshalb infiziert es Wirtszellen - Mensch und Tier, aber auch Pflanzen oder Bakterien - indem es seine Gene in die Zelle einbringt und sie anregt, diese und die passende Hülle vielfach zu reproduzieren. Die neu entstehenden Viren, deren Erbgut mit hohem Druck in die Kapselhülle gepackt wird, verlassen den Wirt und können ihrerseits neue Zellen infizieren. Weil ein Virusstamm dabei schnell mutiert, ist es schwierig, ein lange wirksames Gegenmittel zu finden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2010/explosionsenergie-von-viren-gemessen/