CRESST – Suche nach Dunkler Materie

Wolfgang Seidel, Josef Jochum

CRESST-Kristall

Es gibt im Universum mindestens fünfmal mehr unsichtbare Dunkle Materie als normale baryonische Materie. Mit CRESST (Cryogenic Rare Event Search with Superconducting Thermometers) sollen erstmals die hypothetischen Teilchen der Dunklen Materie direkt nachgewiesen und deren Natur geklärt werden. Neuartige Messverfahren sind hierfür nötig, weil die Teilchen der Dunklen Materie nur sehr selten mit normaler Materie wechselwirken.

Oben: Foto eines kleinen Kristalls mit angeschlossenem Tieftemperatur-Kalorimeter. Unten: Kurvenverlauf des elektrischen Widerstands in Abhängigkeit der Temperatur. In einem schmalen Temperaturintervall um eine bestimmte Temperatur ändert sich der Widerstand stark.

Funktionsweise des Tieftemperatur-Kalorimeters

Woraus Dunkle Materie besteht, ist bisher nicht geklärt. Eine Reihe von Beobachtungen hat aber zu der Erkenntnis geführt, dass sie wohl aus unbekannten Elementarteilchen besteht. Diese Teilchen können nur sehr schwer mit normaler Materie in Wechselwirkung treten und sollten etwa die Masse eines schweren Atomkerns haben. Sie werden WIMPs genannt, für Weakly Interacting Massive Particles.

Detektoraufbau

Das Nachweisprinzip von CRESST basiert auf der Messung einer Temperaturerhöhung des Detektors, die eintritt, wenn ein WIMP darin mit einem Atomkern zusammenstößt. Allerdings ist der Effekt extrem klein. Einen messbaren Anstieg der Temperatur kann man deshalb nur bei sehr niedriger Temperatur erwarten, weshalb die Detektoren von CRESST nahe dem absoluten Nullpunkt betrieben werden.

Ein solcher Detektor besteht aus Kristallen aus hochreinem Saphir (Al2O3) oder Kalziumwolframat (CaWO4), auf die dünne Filme eines supraleitenden Materials aufgebracht werden. Unterhalb einer gewissen kritischen Temperatur verschwindet schlagartig der elektrische Widerstand dieser Supraleiter. Stabilisiert man die Temperatur des dünnen Filmes bei dieser kritischen Temperatur, so wird bei kleinen Temperaturschwankungen dessen Widerstand sehr stark schwanken. Auf diese Weise wirkt der supraleitende Film als höchst empfindliches Thermometer für Temperaturänderungen um einige Millionstel Grad.

Foto: Nahezu durchsichtiger, glas-ähnlicher Würfel mit vier Zentimetern Kantenlänge in blauem Licht.

CRESST Saphir-Kristall

CRESST misst mit den CaWO4-Kristallen gleichzeitig auch Lichtblitze, die bei einem Zusammenstoß eines WIMPs mit einem Atomkern entstehen. Dieses Phänomen heißt Szintillation. Interessanterweise ist das Verhältnis von Licht zu Wärme abhängig davon, ob Alpha-, Beta-, Gammastrahlung (ausgelöst von radioaktiven Zerfällen oder kosmischer Strahlung) oder Kernrückstöße eines WIMPs das Ereignis auslösen. Auf diese Weise lassen sich WIMP-Streuungen vom überwiegenden Teil des Untergrundes unterscheiden. Das Szintillationslicht wird mit einem zweiten Tieftemperatur-Detektor gemessen. Damit steigt die Sensitivität für kleine Zählraten und kleine Wirkungsquerschnitte um viele Größenordnungen. Diese Art von Detektoren sind daher geeignet, um nach sehr kleinen Wirkungsquerschnitten zu suchen.

CRESST im Gran-Sasso-Untergrundlabor

Oben: Foto von Kupferzylindern hinter einer Abschirmung. Unten: Foto von zwei Personen in Schutzkleidung arbeiten an einem Kupferrohr.

Kryostat und Kupfergefäß für die CRESST-Detektoren

CRESST befindet sich im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor. Bei ersten Messungen in den Jahren 2000 bis 2003 wurden zwei Kristalle mit je 320 Gramm Gewicht verwendet. Mit einer gesamten effektiven Messzeit von zehn Kilogramm-Tagen konnte bisher kein WIMP-Signal nachgewiesen werden. Aus diesem Nullresultat ließen sich Obergrenzen der Wechselwirkungsstärke (Wirkungsquerschnitt) und mögliche WIMP-Massen ableiten. Bis Mitte 2006 wurde das Experiment erweitert. Nun können bis zu 33 Detektoren und damit zehn Kilogramm Absorbermasse verwendet werden, wodurch die bisher erreichte Empfindlichkeit um weitere zwei Größenordnungen steigen wird. Damit werden weitere große Bereiche theoretischer Vorhersagen experimentell zugänglich. Gleichzeitig werden weitere Maßnahmen getroffen, um die Detektoren gegen störende Strahlung abzuschirmen. Insbesondere Neutronen werden mit Hilfe eines halben Meter dicken Mantels aus Polyethylen vom Instrument ferngehalten. Auch Myonen aus der kosmischen Strahlung stören die Messung erheblich. Zwar verringert die 1,5 Kilometer dicke Gesteinsschicht der Abruzzen über dem Labor den Myonen-Fluss um das Millionenfache. Dennoch treffen pro Tag etwa hundert dieser Teilchen auf das CRESST-Experiment. Mit Hilfe eines sogenannten Veto-Detektors werden die Teilchen nachgewiesen und lassen sich so aus den Daten eliminieren.

CRESST ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt, an dem drei deutsche Institute beteiligt sind: das Max-Planck-Institut für Physik in München, die Universität in Tübingen und die Technische Universität München.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/dunkle-materie/cresst/