Wie misst man die Größe von Sternen?

Rainer Kayser

Beteigeuze

Sterne sind riesige Bälle aus glühender Materie – aber sie sind so weit von uns entfernt, dass wir sie selbst im Teleskop nur als winzige Lichtpünktchen sehen. Woher wissen die Astronomen also überhaupt, wie groß Sterne sind?

Zunächst einmal: Der Winkeldurchmesser der meisten Sterne ist in der Tat von der Erde aus gesehen zu klein, um selbst mit modernster Teleskoptechnik – dazu später mehr – auflösbar zu sein. Die Astronomen erhalten von diesen Sternen also keine aufgelösten Bilder und können ihre Größe nicht messen. Stattdessen sind sie auf theoretische Überlegungen und indirekte Methoden angewiesen.

Abschätzung aus dem Spektrum

Ist die Entfernung eines Sterns bekannt, so können die Forscher aus der scheinbaren, auf der Erde gemessenen Helligkeit seine wahre (im Fachjargon: absolute) Helligkeit berechnen. Aus dem Spektrum des Sterns können die Astronomen außerdem seine Oberflächentemperatur ablesen – je heißer der Stern ist, desto mehr verschiebt sich das Maximum der Energieverteilung seiner Strahlung zu kurzen Wellenlängen. Anders ausgedrückt: Heiße Sterne leuchten bläulich, kühle rötlich. Die Temperatur hängt aber auch mit der Helligkeit der Sternoberfläche zusammen: Je heißer der Stern, desto heller leuchtet seine Oberfläche. Kennt man nun einerseits die Flächenhelligkeit und andererseits die Gesamthelligkeit eines Sterns, so ergeben sich daraus die Größe der Sternoberfläche und damit auch sein Durchmesser. Diese Methode kann allerdings nur zur Abschätzung dienen, da in den Zusammenhang zwischen Temperatur und Flächenhelligkeit auch die Feinheiten der chemischen und physikalischen Beschaffenheit der äußeren Schichten des Sterns eingehen.

Sternbedeckungen durch den Mond

Sterne, die in der Nähe der Ekliptik stehen – also der scheinbaren Bahn von Sonne, Mond und Planeten am irdischen Himmel –, können hin und wieder hinter dem Mond verschwinden. Da der Mond keine Atmosphäre besitzt, lassen sich solche Sternbedeckungen am scharf begrenzten Rand des Mondes mit hoher Genauigkeit beobachten. Bei einer Messgenauigkeit im Millisekundenbereich machen sich beim Verschwinden und Auftauchen eines Sterns schnelle Helligkeitsvariationen bemerkbar, die durch die Beugung des Lichts am Mondrand entstehen. Aus dem genauen Verlauf des Beugungsmusters lässt sich die Winkelausdehnung des Sternscheibchens ableiten. Bei bekannter Entfernung ergibt sich daraus dann die wahre Größe des Sterns.

Bedeckungsveränderliche Sterne

Ein weiterer Glücksfall für die Astronomen sind Doppelsternsysteme, deren Bahnebene zufällig so liegt, dass die beiden Sterne sich von der Erde aus regelmäßig gegenseitig bedecken. Aus den Sternspektren können die Forscher bei solchen „Bedeckungsveränderlichen“ über den Dopplereffekt die Bahngeschwindigkeiten der Sterne messen. Aus der Lichtkurve lässt sich ablesen, wie lange ein Stern braucht, um beispielsweise hinter dem Rand des anderen Sterns zu verschwinden. Zusammen mit der Geschwindigkeit ergibt sich daraus sofort der Sterndurchmesser. Bemerkenswert ist, dass bei diesem Verfahren die Entfernung des Sterns nicht bekannt sein muss.

Ein rundes Metallgerüst im Inneren eines kuppelförmigen Gebäudes. Oben auf dem Gerüst ist ein langer Träger angebracht.

Michelson-Sterninterferometer

Interferometrie

Bringt man vor dem Objektiv eines Fernrohrs eine doppelte Lochblende an, so erzeugen die Blenden zwei separate, aus zentraler Scheibe und umgebenden Ringen bestehende Beugungsbilder eines Sterns, die bei ihrer Überlagerung miteinander interferieren. Das Interferenzmuster hängt dabei sowohl vom Abstand der beiden Blenden als auch vom Winkeldurchmesser des Sterns ab. Aus einer genauen Vermessung des Interferenzmusters bei verschiedenen Blendenabständen lässt sich deshalb der Winkelausdehnung des Sterns ermitteln – und damit bei bekannter Entfernung wiederum seine wahre Größe. 1920 gelang es Albert A. Michelson erstmalig, mit einem solchen Sterninterferometer die Größe von Beteigeuze im Orion und einigen weiteren Sternen zu messen.

Heute ist es auch möglich, mehrere Fernrohre, beispielsweise die vier 8,2-Meter-Teleskope des VLT (Very Large Telescope) der Europäischen Südsternwarte ESO, zu einem Interferometer zusammenzuschalten. Damit lassen sich inzwischen nicht nur Sterndurchmesser, sondern bei nahen Riesensternen sogar die Form bestimmen. Insgesamt konnten die Astronomen mit interferometrischen Methoden inzwischen die Größe von mehreren hundert Sternen messen.

Auf schwarzem Untergrund ist eine Scheibe zu sehen, die am Rand rot, zur Mitte hin gelb und schließlich weiß ist. Das Helligkeitsmaximum befindet sich etwas unterhalb der Scheibenmitte.

Hubble-Aufnahme des Riesensterns Beteigeuze

Direkte Abbildung

Mit dem Weltraumteleskop Hubble ist es möglich, von einigen wenigen nahen Riesensternen wie Beteigeuze echte aufgelöste Bilder zu erhalten. Vom Erdboden aus ist dies selbst mit den größten Teleskopen ohne die Hilfe interferometrischer Techniken nicht gelungen, da die irdische Atmosphäre die Sternbilder zu stark verschmiert. Der Einsatz adaptiver Optik kann diese „Luftunruhe“ zwar zum Teil ausgleichen. Doch diese Methode funktioniert im langwelligen Bereich am besten, während das Auflösungsvermögen der Teleskope umgekehrt bei kurzen Wellenlängen am besten ist. Erst mit zukünftigen Teleskopen wie dem geplanten „European Extremely Large Telescope“ mit einem Objektivdurchmesser von 42 Metern dürfte es auch von der Erde aus möglich sein, ohne Interferometrie einige nahe Riesensterne aufzulösen.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/astronomische-massstaebe/sterngroessen/