Entfernungsbestimmungen im Universum – Teil 2: über unsere Milchstraße hinaus

Klaas S. de Boer

Aufnahme einer Spiralgalaxie

Wie haben die Messungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop und andere moderne Methoden die Entfernungsskala bis zum Rand des sichtbaren Universums erweitert? Wie können Aussagen über die Vergangenheit und die Zukunft des Kosmos gemacht werden können? Der zweite Teil unseres Entfernungs-Artikels beschäftigt sich mit diesen Fragen.

Lesen Sie im ersten Teil dieses Artikels, mit welchen Methoden in unserer kosmischen Nachbarschaft die Basis der Methoden zur Entfernungsbestimmung entwickelt wurde.

Das Hubble-Teleskop

Edwin Hubble (1889-1953) hatte (mit anderen) um 1920 gesehen, dass weit entfernte Galaxien sich schnell von uns weg bewegen, und somit, dass fernere Galaxien schneller sind als nahe Galaxien. Diese Erkenntnis verdankte er der damals nur sehr ungenau bekannten abgestrahlten Lichtmenge der Cepheiden, die er zur Abschätzung der Entfernungen einsetzte. Mit dem Hubble-Weltraumteleskop (Start 1990) und den Cepheiden in der Großen Magellanschen Wolke konnte nun die früher von Hubble abgeleitete Messung der Expansionsrate des Universums kräftig verbessert werden.

Eines der Hauptziele der Messungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop war, ohne lästige Erdatmosphäre weit entlegene Galaxien zu erkunden, um Cepheiden aufzudecken. Deren genaue Vermessung sollte unmittelbar zu der Bestimmung der Entfernungen dieser Galaxien führen. Mit den Daten sollte die Bestimmung der von Hubble nachgewiesenen Expansion des Universums überprüft und genauer geklärt werden. Das Projekt wurde zu einem riesigen Erfolg. Die Expansionsrate des Universums, also der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Abstand der Galaxien, wurde schließlich auf 71 km/s/Mpc bestimmt. Das heißt, dass zwei Galaxien, die eine Million Parsec (3,24 Millionen Lichtjahre) Abstand zueinander haben, sich mit 71 Kilometern pro Sekunde voneinander entfernen. Sind sie zwei Millionen Parsec auseinander, dann streben sie mit 142 km/s voneinander weg und so weiter. Aus diesem wichtigen Messwert folgte in Verbindung mit Modellen über die Ausdehnung des Universums in der Vergangenheit das Alter des Universums zu 14 Milliarden Jahren.

Mit der Kalibrierung der Entfernung dieser Galaxien konnte nun eine Reihe weiterer Methoden überprüft und verbessert werden. Dazu gehören beispielsweise die Entfernungen aus der Helligkeit der Zentralsterne der Planetarischen Nebel, aus Supernovae des Typs Ia und aus Radiomessungen an weit entfernten Spiralgalaxien.

Spiralgalaxien

Eine weiße, neblige Spirale aus Sternen auf dem schwarzen Himmelhintergrund.

Die Spiralgalaxie NGC 6118 zeigt alle Merkmale dieses Galaxientyps

Galaxien mit Spiralarmen enthalten viel Gas. Dieses Gas leuchtet bei einer Wellenlänge vom 21 Zentimetern in der speziellen Emissionslinie des Wasserstoffs. Für Spiralgalaxien wurde eine besondere Beziehung zwischen der Rotationsgeschwindigkeit und der Menge des von der Galaxie abgestrahlten Lichts entdeckt. Der Zusammenhang basiert auf folgender Logik:

Die Breite der Emissionslinie geht auf die Rotationsgeschwindigkeit einer Galaxie zurück. Die Rotationsgeschwindigkeit ist von der Masse der Galaxie abhängig – je mehr Masse die Galaxie hat, desto schneller rotieren die Sterne um das Zentrum der Galaxie –, die Masse wiederum ist proportional zu der Menge an Sternen, und die Menge der Sterne bestimmt schließlich die Menge des abgestrahlten Lichts. Dieser Zusammenhang wird nach seinen Entdeckern die Tully-Fischer-Relation genannt.

Misst man nun mit Hilfe eines Radioteleskops von einer weit entlegenen Spiralgalaxie die Rotationsgeschwindigkeit, so sagt die genannte Relation voraus, wie viel Licht man sehen sollte. Je weniger Licht man sieht, desto weiter ist die Galaxie von uns entfernt. Auf diese Art können die Entfernungen der Spiralgalaxien bestimmt werden – zwar nicht sehr genau, aber immerhin, ohne Cepheiden erkennen zu müssen. So ist es auch möglich, Galaxien zu vermessen, die derart weit entfernt sind, dass auch mit dem Hubble-Teleskop keine einzelnen Sterne in ihnen zu erkennen sind.

Supernovae des Typs Ia

Eine spezielle Gruppe der Objekte, dessen Kalibrierung in den nun genau vermessenen relativ nahen Galaxien erfolgte, waren die Supernovae des Typs Ia. Diese sind die Explosionen Weißer Zwerge in Doppelsternsystemen.

In der Skizze werden die im Text beschriebenen Phasen grafisch dargestellt.

Entwicklung eines Doppelsternsystems zur Supernova Ia

Bei der Entwicklung der Sterne des Paares kommt es zum Austausch von Materie. Wenn dabei der kleine, ausgediente Stern Materie zugeschoben bekommt, so kann seine innere Struktur die aufgeschüttete Materie kaum tragen, das Innere wird stark verdichtet und sehr heiß. So kommt es an einem kritischen Zeitpunkt zu einer sekundenschnellen, um sich greifenden Form der Kernfusion. Das Innere des Weißen Zwergs dehnt sich dadurch derart rasant aus, dass der Stern komplett explodiert. Der Stern wird zur Supernova. Anhand der Merkmale der weggeschleuderten äußeren Hülle lässt sich so eine Supernova vom Typ Ia von anderen Arten der Supernova-Explosionen unterscheiden. Da die Explosion vom Typ Ia wohl immer unter gleichen Bedingungen ausgelöst wird, nämlich bei gleicher kritischer Masse des explodierenden Objekts, erwartet man, dass die bei der Explosion abgestrahlte Lichtmenge solcher Supernovae immer gleich ist. Daher bilden die Supernovae des Typs Ia, wie die Cepheiden, ebenfalls eine Standardkerze.

Beschleunigte Expansion des Universums?

Die Verwendung der Supernovae vom Typ Ia zur Bestimmung der Entfernung weit entlegener Galaxien erlaubt eine Überprüfung der Expansion des Universums in großer Entfernung. Das bedeutet gleichzeitig eine Überprüfung der Expansionsrate der Vergangenheit. Man hat aus den Daten abgeleitet, dass das Universum früher wohl langsamer expandierte beziehungsweise dass heute die Expansion beschleunigt ist. Die Zuverlässigkeit dieses Ergebnisses hängt natürlich von der Qualität des Zollstocks ab. Ist er gut, so stimmt die Vorstellung der beschleunigten Expansion. Ist er nicht so gut, wurden die Daten zu großzügig ausgelegt. Da eine Beschleunigung der Expansion mit den gängigen Modellen für das Universum nicht erklärbar ist, wird die sogenannte Dunkle Energie postuliert, die für das verstärkte Auseinandertreiben sorgen soll. Einige Forscher zweifeln jedoch an diesem Ergebnis. Zweifel bestehen vor allem an der Zuverlässigkeit der Messungen sowie an deren Deutung. So gibt es Hinweise auf die Möglichkeit, dass die Masse bei der Explosion des Reststerns auch größer als 1,4 Sonnenmassen sein kann. Damit wären die Supernovae des Typ Ia keine Standardkerzen mehr.

Es ist wie fast immer in der Forschung. Bessere Messgeräte (hier Teleskope) und bessere Modelle (hier für die Eigenschaften der Supernovae Typ Ia) sollten zur Klärung der Fragen führen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/astronomische-massstaebe/entfernungen-teil-2/